Mir fiel wieder ein, was Josh über Jocastas Wutausbrüche gesagt hatte, doch sie war zu sehr feine Dame, um in der Öffentlichkeit mit den Füßen zu stampfen und ausfallend zu werden, so aufgebracht sie auch sein mochte. Josh entschuldigte sich in schönstem Aberdeener Dialekt dafür, dass er von ihrer Seite gewichen war, doch sie winkte in freundlicher, wenn auch energischer Ungeduld ab.
»Spar dir die Worte, Junge, du hast getan, was ich dir aufgetragen hatte.« Sie wandte den Kopf ruhelos von einer Seite zur anderen, als versuchte sie, durch ihre Augenbinde zu sehen.
»Farquard, wo bist du?«
Mr. Campbell ging zu ihr, schob ihre Hand durch seinen Arm und tätschelte sie kurz.
»Es ist nicht viel passiert, meine Liebe«, versicherte er ihr. »Keine Verletzten, und nur ein Teerfass verloren.«
»Gut«, sagte sie, und ihre Anspannung ließ ein wenig nach. »Aber wo ist Byrnes?«, fragte sie. »Ich kann ihn nicht hören.«
»Der Aufseher?« Leutnant Wolff tupfte sich mit einem großen Leinentaschentuch ein paar Schmutzflecken aus dem schweißbedeckten Gesicht. »Das habe ich mich auch schon gefragt. Heute Morgen war niemand da zu unserem Empfang. Glücklicherweise ist Mr. Campbell kurz darauf gekommen.«
Farquard Campbell räusperte sich leise und spielte seine Rolle herunter.
»Ich vermute, dass Byrnes in der Sägemühle ist«, sagte er. »Einer der Sklaven hier hat mir gesagt, dass es dort Schwierigkeiten mit dem großen Sägeblatt gibt. Wahrscheinlich kümmert er sich darum.«
Wolff machte ein aufgeblasenes Gesicht, als hielte er ein defektes Sägeblatt für eine armselige Entschuldigung dafür, dass man ihn nicht standesgemäß empfangen hatte. Ihrem zusammengepressten Mund nach zu urteilen, teilte Jocasta diese Ansicht.
Jamie hustete, streckte die Hand aus und zupfte mir ein kleines Grasbüschel aus den Haaren.
»Ich meine, ich hätte ein Lunchpaket gesehen, oder, Tante Jocasta? Vielleicht möchtest du dem Leutnant eine kleine Erfrischung anbieten, während ich mich hier ums Aufräumen kümmere?«
Das war genau der richtige Vorschlag. Jocastas Lippen entspannten sich ein wenig, und Wolff sah bei dem Wort »Lunch« schon entschieden glücklicher aus.
»Das wollen wir tun, lieber Neffe.« Sie richtete sich auf und nickte mit wiederhergestellter Autorität in die Richtung, aus der Wolffs Stimme kam. »Leutnant, dürfte ich Euch einladen, uns beim Essen Gesellschaft zu leisten?«
Im Lauf des Mittagessens erfuhr ich, dass der Leutnant die Terpentinanlage einmal im Vierteljahr besuchte. Während dieses Besuches wurde dann ein Vertrag über den Erwerb und die Lieferung diverser Vorräte für die Marine aufgesetzt. Es war Aufgabe des Leutnants, mit allen Plantagenbesitzern von Cross Creek bis zur Grenze von Virginia ähnliche Abmachungen zu treffen und zu erneuern, und Leutnant Wolff gab uns deutlich zu verstehen, welchen Teil der Kolonie er bevorzugte.
»Wenn es eins gibt, wovon ich zugeben muss, dass sich die Schotten dabei selbst übertreffen«, verkündete der Leutnant reichlich aufgeblasen, während er einen kräftigen Schluck aus seinem dritten Becher Whisky nahm, »dann ist es die Herstellung von Trinkbarem.«
Farquard Campbell, der anerkennend an seinem Zinnbecher genippt hatte, lächelte mit leiser Ironie und schwieg. Jocasta saß neben ihm auf einer wackeligen Bank. Ihre Finger ruhten leicht auf seinem Arm, empfindlich wie ein Seismograph, der auf unterirdische Erschütterungen wartet.
Wolff versuchte erfolglos, einen Rülpser zu unterdrücken, und ließ mich dann etwas verspätet in den Genuss dessen kommen, was er wohl für seinen Charme hielt.
»In fast jeder anderen Hinsicht«, fuhr er fort, während er sich vertraulich zu mir herüberbeugte, »sind sie ein fauler und sturer Menschenschlag, was sie unfähig macht zum –« An dieser Stelle stürzte der jüngste Fähnrich, rot vor Verlegenheit, eine Schüssel mit Äpfeln um und sorgte damit für ausreichende Ablenkung, um den Leutnant an der Vollendung seines Satzes zu hindern – allerdings reichte es unglücklicherweise nicht aus, um ihn auf andere Gedanken zu bringen.
Der Leutnant tupfte sich den Schweiß ab, der ihm unter der Perücke hervorlief, und blickte mich aus blutunterlaufenen Augen an.
»Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr keine Schottin seid, Ma’am? Eure Stimme ist höchst melodiös und gebildet, wenn ich das sagen darf. Ihr habt nicht die Spur eines barbarischen Akzents, trotz Eures Umgangs.«
»Äh … danke«, murmelte ich und fragte mich, welche Laune der Verwaltung den Leutnant als Vertreter der Marine in das Tal des Cape Fear geschickt hatte, wo es wahrscheinlich mehr schottische Highlander gab als in der ganzen übrigen Neuen Welt zusammen. Ich begann zu verstehen, was Josh mit »Och, die verflixte Marine« gemeint hatte.