»Letzten Monat haben sie die Pferde gegessen«, sagte er nur. »Seitdem gab es nicht mehr viel.«
Jamie stand abrupt auf und lehnte sich an die Wand, den Kopf erschrocken gesenkt. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, doch sein Körper war so starr wie die Bretter im Stall.
»Aye«, sagte er schließlich. »Aye. Meine Männer – haben sie denn ihren Anteil an dem Fleisch abbekommen? Donas … war ja … ein kräftiges Pferd.« Er sprach leise, doch ich sah der plötzlichen Schärfe in Alecs einäugigem Blick an, dass er genau wie ich die Mühe hörte, mit der Jamie verhinderte, dass ihm die Stimme brach.
Der alte Mann erhob sich langsam aus dem Heu, und sein verkrüppelter Körper bewegte sich schmerzhaft und gemessen. Er legte Jamie die knorrige Hand auf die Schulter; die rheumatischen Finger ließen sich nicht schließen, doch die Hand blieb als tröstendes, grobes Gewicht dort liegen.
»Donas haben sie nicht genommen«, sagte er leise. »Sie haben ihn aufbewahrt – damit ihn Prinz
Jamie hielt sich die Hände vor das Gesicht und lehnte zitternd an der Bretterwand einer leeren Box.
»Ich bin ein Narr«, sagte er schließlich und schnappte keuchend nach Luft. »O Gott, ich bin ein Narr.« Er ließ die Hände sinken, so dass ich sein Gesicht sah, und die Tränen rannen ihm durch den Schmutz der Reise. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Wange, doch liefen ihm weiter die Augen über, als hätte er keinerlei Kontrolle darüber.
»Wir haben verloren, meinen Männern droht das Gemetzel, im Wald verrotten die Toten … und ich weine um ein Pferd! O Gott«, flüsterte er und schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Narr.«
Der alte Alec stieß einen Seufzer aus, und seine Hand glitt schwer an Jamies Arm hinunter.
»Gut, dass du es noch kannst, mein Junge«, sagte er. »Ich selber habe es hinter mir.«
Der Alte knickte ein Bein umständlich am Knie ein und ließ sich wieder auf den Boden sinken. Einen Moment blieb Jamie stehen und blickte auf Alec hinunter. Immer noch liefen ihm die Tränen hemmungslos über das Gesicht, doch es war wie Regen, der über eine polierte Granitplatte fließt. Dann nahm er meinen Ellbogen und wandte sich wortlos ab.
An der Stalltür sah ich mich nach Alec um. Er saß reglos da, ein dunkles Häuflein in seinem Plaid, und sein blaues Auge war genauso blind wie das andere.
Überall im Haus lagen Männer, die erschöpft darauf hofften, den nagenden Hunger und die Gewissheit der bevorstehenden Katastrophe im Schlaf vergessen zu können. Frauen gab es hier keine; die Clanführer, die bis jetzt von ihren Frauen begleitet worden waren, hatten die Damen heil davongeschickt – der kommende Untergang warf seinen Schatten voraus.
Mit einem gemurmelten Wort ließ mich Jamie vor der Tür zurück, die zum zeitweiligen Quartier des Prinzen führte. Meine Gegenwart würde nicht helfen. Ich wanderte auf leisen Sohlen durch das Haus, in dem der angestrengte Atem der Schläfer murmelte und dumpfe Verzweiflung in der Luft lag.
Unter dem Dach fand ich eine kleine Rumpelkammer. Sie war mit alten Möbeln und Krimskrams vollgestellt, doch ansonsten war sie verlassen. Ich verkroch mich in diesem Labyrinth der Kuriositäten und fühlte mich wie ein kleines Nagetier auf der Suche nach Zuflucht vor einer Welt, in der gewaltige, rätselhafte Kräfte auf Vernichtung aus waren.
Es gab ein kleines Fenster, das vom Nebelgrau des Morgens erfüllt war. Ich rieb mit einem Zipfel meines Umhangs den Schmutz von einer Scheibe, doch es war nichts zu sehen außer dem allumfassenden Nebel. Ich lehnte mich mit der Stirn an das kalte Glas. Irgendwo dort draußen war das Feld von Culloden, doch ich sah nichts als den schemenhaften Umriss meines eigenen Spiegelbilds.
Ich wusste, dass die Nachricht vom ebenso grausamen wie rätselhaften Tod des Herzogs von Sandringham auch bis zu Prinz Charles vorgedrungen war; beinahe jeder, mit dem wir auf dem Weg nach Norden sprachen, als wir uns wieder ungefährdet zeigen konnten, hatte uns davon erzählt. Was genau hatten wir getan?, fragte ich mich. Hatten wir die Sache der Jakobiten dem Untergang geweiht, und das allein durch das Abenteuer dieser einen Nacht, oder hatten wir Charles Stuart ungewollt vor einer englischen Falle bewahrt? Mit quietschendem Finger zog ich eine Linie über das beschlagene Glas und hakte eine weitere Frage ab, deren Antwort ich nie erfahren würde.
Es schien lange zu dauern, bis ich Schritte auf den blanken Dielen der Treppe außerhalb meines Refugiums hörte. Als ich an die Tür trat, erreichte Jamie den Treppenabsatz. Ein Blick auf sein Gesicht reichte aus.