Dann war die Angst auf einmal fort. Ich konnte ihn nicht verlassen, und ich würde es nicht tun.
»Jamie«, sagte ich und starrte auf die Falten seines Plaids. »Ich gehe mit dir zurück.«
Er fuhr zurück und blickte auf mich hinunter.
»Du wirst den Teufel tun!«, sagte er.
»Doch.« Ich fühlte mich ganz ruhig und empfand nicht die geringste Spur von Zweifel. »Ich kann mir einen Kilt aus meinem Schultertuch machen; es sind so viele Jungen in der Armee, dass ich mich als einer von ihnen ausgeben kann. Es wird niemandem auffallen.«
»Nein!«, sagte er. »Nein, Claire!« Er hatte die Zähne fest zusammengebissen und funkelte mich mit einer Mischung aus Wut und Grauen an.
»Wenn du keine Angst hast, habe ich auch keine«, sagte ich und schob meinerseits das Kinn vor. »Es wird … schnell vorüber sein. Das hast du selbst gesagt.« Trotz meiner Entschlossenheit begann mein Mund zu beben. »Jamie – ich will … ich kann … ich werde einfach nicht ohne dich leben, das ist alles!«
Er öffnete sprachlos den Mund, dann schloss er ihn wieder und schüttelte den Kopf. Das Licht über den Bergen schwand jetzt dahin und tauchte die Wolken in einen dumpfen roten Schimmer. Schließlich streckte er die Hand nach mir aus, zog mich an sich und hielt mich fest.
»Meinst du denn, ich weiß das nicht?«, fragte er leise. »Ich bin es, der jetzt das leichtere Los gezogen hat. Denn wenn du für mich empfindest, was ich für dich empfinde … dann bitte ich dich gerade, dir das Herz herauszureißen und ohne es weiterzuleben.« Seine Hand strich über mein Haar, und seine rauhen Knöchel blieben in den wehenden Strähnen hängen.
»Aber du musst es tun,
»Warum?«, wollte ich wissen und wich zurück, um ihn anzusehen. »Als du mich vor dem Hexenprozess in Cranesmuir gerettet hast … damals hast du gesagt, dass du mit mir gestorben wärst, dass du mit mir auf den Scheiterhaufen gegangen wärst, wenn es dazu gekommen wäre!«
Er nahm meine Hände und betrachtete mich unverwandt.
»Aye, das hätte ich getan«, sagte er. »Aber da trug ich auch nicht dein Kind unter meinem Herzen.«
Ich war durchgefroren vom Wind; es war die Kälte, die mich zittern ließ, sagte ich mir. Die Kälte, die mir den Atem nahm.
»Das kannst du doch gar nicht wissen«, sagte ich schließlich. »Es ist noch viel zu früh, um es mit Sicherheit zu sagen.«
Er prustete kurz, und ein winziger Funke der Belustigung leuchtete in seinen Augen auf.
»Und das mir, der ich ein Bauer bin! Sassenach, du hast noch nie zu spät geblutet, in all der Zeit, seit du mich zum ersten Mal in dein Bett geholt hast. Jetzt ist es sechsundvierzig Tage her.«
»Du Mistkerl!«, sagte ich entrüstet. »Du hast mitgezählt! Du hast mitgezählt, mitten in einem verdammten Krieg!«
»Du etwa nicht?«
»Nein!« Das stimmte; ich hatte viel zu viel Angst davor gehabt, mir die Möglichkeit einzugestehen, dass das, worauf ich so lange gehofft und wofür ich so lange gebetet hatte, nun so grauenvoll zu spät kam.
»Außerdem«, fuhr ich fort und versuchte, es immer noch zu leugnen, »heißt das noch gar nichts. Es könnte auch vom Hunger kommen, das kommt häufig vor.«
Er zog die Augenbraue hoch und legte mir die breite Hand sanft unter eine Brust.
»Aye, du bist durchaus dünn, doch trotzdem sind deine Brüste voll, und deine Brustwarzen haben die Farbe von Champagnertrauben. Du vergisst«, sagte er, »dass ich dich nicht zum ersten Mal so sehe. Ich habe keinen Zweifel – genauso wenig wie du.«
Ich versuchte, die Wellen der Übelkeit niederzukämpfen – die sich so leicht auf die Angst und den Hunger schieben ließen –, doch ich spürte das kleine Gewicht, das plötzlich in meinem Schoß brannte. Ich biss mir fest auf die Unterlippe, doch die Übelkeit spülte über mich hinweg.
Jamie ließ meine Hände los und stellte sich vor mich, die Hände an den Seiten, ein deutlicher Umriss vor dem verblassenden Himmel.
»Claire«, sagte er leise. »Ich werde morgen sterben. Dieses Kind … ist alles, was von mir bleiben wird – für alle Zeit. Ich bitte dich, Claire … ich flehe dich an … rette es.«
Ich stand still, und es verschwamm mir vor den Augen, und in diesem Moment hörte ich mein Herz brechen. Es war ein leises, klares Geräusch wie der zerbrechende Stiel einer Blume.
Schließlich beugte ich den Kopf zu ihm hin, und der Wind klagte in meinen Ohren.
»Ja«, flüsterte ich. »Ja, ich gehe.«
Es war fast dunkel. Er trat hinter mich und hielt mich fest, während ich mich an ihn lehnte und er mir über die Schulter hinwegblickte, über das Tal hinaus. Die ersten Wachfeuer leuchteten jetzt auf, kleine leuchtende Punkte in der Ferne. Wir schwiegen lange, und der Abend nahm zu. Auf dem Hügel war es still; ich konnte nichts hören außer Jamies regelmäßigem Atem, ein jeder Atemzug ein kostbares Geräusch.