»Das kommt ganz darauf an, was Ihr mit dem Begriff ›professionell‹ sagen wollt«, sagte ich spröde. »Ich bin Heilerin.«
»Ah, Heilerin?« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtete mich neugierig. »Ja, das dachte ich mir. Sonst nichts? Keine Wahrsagerei, keine Liebeszauber?«
Ich hatte leise Gewissensbisse, weil ich an die Zeit denken musste, die ich unterwegs mit Murtagh verbracht hatte, als wir in den schottischen Highlands auf der Suche nach Jamie gewesen waren und wie die Zigeuner für unser Abendessen in die Zukunft geschaut oder gesungen hatten.
»Nichts dergleichen«, sagte ich und errötete leicht.
»Auf jeden Fall keine professionelle Lügnerin«, sagte er und betrachtete mich amüsiert. »Wie schade. Nun denn, womit kann ich Euch zu Diensten sein, Madonna?«
Ich erklärte ihm, was ich brauchte, und er nickte verständnisvoll beim Zuhören, so dass ihm das dichte graue Haar nach vorn über die Schultern schwang. In der Zurückgezogenheit seines Ladens trug er weder eine Perücke, noch puderte er sich das Haar. Er trug es aus der hohen, breiten Stirn gebürstet, und es fiel ihm kerzengerade auf die Schultern, wo es abrupt endete wie mit einer stumpfen Schere gekappt.
Er war ein angenehmer Gesprächspartner und besaß in der Tat beträchtliches Wissen über die Zubereitung und Anwendung von Kräutern. Er holte diverse kleine Gefäße aus dem Regal, schüttete Proben heraus und zerrieb die Blätter auf seiner Handfläche, damit ich daran riechen oder sie kosten konnte.
Unser Gespräch wurde unterbrochen, weil sich im Laden Stimmen erhoben. Ein luxuriös gekleideter Bediensteter hatte sich über die Ladentheke gebeugt und sagte etwas zu der Verkäuferin. Oder vielmehr versuchte er, etwas zu sagen. Seine zaghaften Versuche brachten ihm einen Wortschwall der Verkäuferin in vernichtendem Provencalisch ein. Es war zu idiomatisch, als dass ich alles hätte verstehen können, aber ich verstand den allgemeinen Ton ihrer Bemerkungen. Irgendetwas, was mit Kohlköpfen und Würsten zu tun hatte und nicht schmeichelhaft gemeint war.
Ich sinnierte gerade über diesen seltsamen Hang der Franzosen, mehr oder weniger jedes Thema mit Lebensmitteln zu verquicken, als plötzlich die Ladentür aufknallte. Hinter dem Bediensteten traf Verstärkung ein, und zwar in Form einer mit Rouge und Rüschen reichlich geschmückten Person.
»Ah«, murmelte Raymond, der das Drama, das im Verkaufsraum seinen Lauf nahm, neugierig unter meinem Arm hindurch betrachtete. »La Vicomtesse de Rambau.«
»Ihr kennt sie?« Die Verkäuferin kannte sie offensichtlich, denn sie beendete ihren Angriff auf den Bediensteten und drückte sich flach mit dem Rücken gegen den Schrank mit den Abführmitteln.
»Ja, Madonna«, sagte Raymond und nickte. »Geld spielt keine Rolle.«
Ich sah, was er meinte, als die fragliche Dame den offensichtlichen Grund der Auseinandersetzung ergriff – ein kleines Glas mit einer eingelegten Pflanze –, zielte und es ebenso schwungvoll wie zielsicher in die gläserne Front des Schrankes schleuderte.
Der Knall brachte den Aufruhr augenblicklich zum Schweigen. Die Vicomtesse zeigte mit ihrem langen, knochigen Finger auf das Mädchen.
»Du da«, sagte sie mit einer Stimme, die wie ein Reibeisen klang, »hol mir den schwarzen Trank. Auf der Stelle.«
Das Mädchen öffnete den Mund, als wollte es protestieren, schloss ihn aber wieder und flüchtete ins Hinterzimmer, als es sah, dass die Vicomtesse nach einem neuen Geschoss griff.
Noch ehe sie eintrat, hob Raymond resigniert die Hand über seinen Kopf und drückte ihr eine Flasche in die Hand, als sie durch die Tür kam.
»Gebt sie ihr«, sagte er achselzuckend. »Ehe sie noch mehr zerstört.«
Während die Verkäuferin zaghaft zurückkehrte, um die Flasche abzuliefern, wandte er sich zu mir um und zog ein ironisches Gesicht.
»Gift für eine Rivalin«, sagte er. »Zumindest glaubt sie das.«
»Oh?«, sagte ich. »Und was ist es tatsächlich? Cascararinde?«
Er sah mich angenehm überrascht an.
»Ihr seid wirklich gut«, sagte er. »Ein Naturtalent, oder hat es Euch jemand beigebracht? Ach, es spielt keine Rolle.« Er tat das Thema mit einer Handbewegung ab. »Ja, es stimmt, Cascara. Die Rivalin wird morgen erkranken, sichtlich leiden, um den Rachedurst der Vicomtesse zu stillen und sie davon zu überzeugen, dass sie das Richtige gekauft hat, dann wird sie sich ohne dauerhafte Folgen erholen, und die Vicomtesse wird ihre Genesung entweder dem Eingreifen des Priesters zuschreiben oder einem Gegenzauber eines Magiers, den das Opfer bezahlt.«
»Mm«, sagte ich. »Und der Schaden, den sie hier angerichtet hat?« Die Nachmittagssonne glitzerte in den Glasscherben auf der Ladentheke und auf dem silbernen Écu, den die Vicomtesse als Bezahlung auf die Holzplatte geworfen hatte.
Raymond drehte die Handfläche hin und her, die uralte Geste eines Menschen, der Mehrdeutigkeit zum Ausdruck bringen möchte.