Sowohl das Essen als auch die Gesellschaft bei den d’Arbanvilles waren gut. Wir kamen spät nach Hause, und in der Sekunde, als mein Kopf auf das Kissen traf, fiel ich in tiefen Schlaf. Ich schlief traumlos, doch mitten in der Nacht wachte ich plötzlich auf und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.
Die Nacht war kalt, und das Federbett war zu Boden geglitten, wie es seine hinterlistige Angewohnheit war, so dass ich nur noch unter der dünnen Wolldecke lag. Ich drehte mich im Halbschlaf nach Jamies Wärme um. Er war fort.
Ich setzte mich und schaute mich nach ihm um. Ich fand ihn schnell. Er saß auf der Fensterbank, den Kopf in den Händen.
»Jamie! Was ist? Hast du wieder Kopfschmerzen?« Ich tastete nach der Kerze, um meine Medizintruhe zu holen, doch etwas an seiner Haltung bewog mich, die Suche aufzugeben und augenblicklich zu ihm zu gehen.
Er atmete schwer, als wäre er gerannt, und trotz der Kälte war er in Schweiß gebadet. Ich berührte seine Schulter; sie war hart und kalt wie eine Metallstatue.
Er fuhr zurück, als ich ihn berührte, und sprang auf, die Augen weit aufgerissen und schwarz im nachterfüllten Zimmer.
»Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte ich. »Geht es dir gut?«
Ich fragte mich flüchtig, ob er wohl schlafwandelte, denn seine Miene änderte sich nicht; er blickte geradewegs durch mich hindurch, und was auch immer er sah, verstörte ihn.
»Jamie!«, sagte ich scharf. »Jamie, wach auf!«
Da blinzelte er und sah mich, obwohl sein Gesicht in der verzweifelten Miene eines gejagten Tiers verharrte.
»Es geht mir gut«, sagte er. »Ich bin wach.« Es klang, als wollte er sich selbst davon überzeugen.
»Was ist denn? Hattest du einen Alptraum?«
»Ein Traum. Aye. Es war ein Traum.«
Ich trat vor und legte ihm die Hand auf den Arm.
»Erzähl’s mir. Es wird verschwinden, wenn du es mir erzählst.«
Er packte mich fest bei den Unterarmen, genauso sehr, um zu verhindern, dass ich ihn berührte, wie um sich zu stützen. Es war Vollmond, und ich konnte sehen, dass jeder Muskel seines Körpers angespannt war, hart und reglos wie Stein, unter dem jedoch tobende Energie pulsierte, die nur darauf wartete zu explodieren.
»Nein«, sagte er und klang immer noch benommen.
»Doch«, sagte ich. »Jamie, sprich mit mir. Erzähl’s mir. Sag mir, was du siehst.«
»Ich kann nicht … kann nichts sehen. Nichts. Ich kann nicht sehen.«
Ich drehte mich und zog ihn aus dem Schatten im Zimmer wieder in das helle Mondlicht am Fenster. Das Licht schien zu helfen, denn seine Atmung verlangsamte sich. Dann kamen die Worte in stockenden, schmerzenden Silben heraus.
Es waren die Steine von Wentworth, von denen er geträumt hatte. Und während er sprach, wandelte Jonathan Randalls Schatten durch unser Zimmer und legte sich sacht auf mein Bett.
Er hatte keuchenden Atem dicht hinter sich gehört und gespürt, wie sich schweißnasse Haut an ihm rieb. Gequält und frustriert hatte er mit den Zähnen geknirscht. Der Mann hinter ihm spürte die kleine Bewegung und lachte.
»Oh, wir haben noch Zeit, ehe sie dich hängen, mein Junge«, flüsterte er. »Reichlich Zeit, es auszukosten.« Randall bewegte sich plötzlich, hart und abrupt, und er stieß ein leises, unwillkürliches Geräusch aus.
Randalls Hand strich ihm das Haar aus der Stirn und legte es ihm hinter das Ohr. Der heiße Atem fuhr ihm dicht über das Ohr, und er verdrehte den Kopf, um ihm zu entkommen, doch die hauchenden Worte folgten ihm.
»Hast du schon einmal gesehen, wie ein Mensch gehängt wird, Fraser?«, fuhr er fort, ohne eine Antwort abzuwarten, und eine lange, schlanke Hand kam um Jamies Taille gewandert, strich ihm sanft über den Bauch und verlagerte ihr Necken mit jedem Wort weiter abwärts.
»Ja, natürlich hast du das; du warst ja in Frankreich, du wirst hin und wieder gesehen haben, wie sie Deserteure hängen. Ein Gehängter verliert die Kontrolle über seinen Darm, nicht wahr? Wenn sich das Seil um seinen Hals schließt.« Die Hand umfasste ihn, leicht, fest, reibend, streichelnd. Er krallte seine unverletzte Hand fest um die Bettkante und drehte das Gesicht in die kratzige Decke, doch die Worte ließen nicht von ihm ab.
»So wird es dir auch ergehen, Fraser. Ein paar Stunden noch, dann wirst du die Schlinge spüren.« Die Stimme lachte selbstzufrieden. »Dein Hintern wird von meiner Lust brennen, wenn du in den Tod gehst, und wenn sich dein Darm löst, wird es mein Saft sein, der dir über die Beine läuft und unter dem Galgen auf den Boden tropft.«
Er gab kein Geräusch von sich. Er konnte sich riechen, den Dreck des Kerkers, der ihn bedeckte, den beißenden Schweiß seiner Angst und seiner Wut. Und den Mann hinter ihm, dessen übler Tiergestank durch den zarten Duft des Lavendeltoilettenwassers brach.