»Die Decke«, sagte er. Seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht im Mondschein angespannt. »Sie war rauh unter meinem Gesicht, und alles, was ich sehen konnte, waren die Steine der Wand vor mir. Es gab nichts, worauf ich mich hätte konzentrieren können … nichts, was ich sehen konnte. Also habe ich die Augen geschlossen gehalten und an die Decke unter meiner Wange gedacht. Sie war das Einzige, was ich spüren konnte außer dem Schmerz … und ihm. Ich … habe mich daran festgehalten.«
»Jamie. Lass mich dich halten«, sagte ich leise und versuchte, die Panik zu beruhigen, die ich durch seinen Körper strömen spürte. Er hielt meine Arme so fest umklammert, dass sie taub wurden. Doch er ließ mich nicht näher kommen; er hielt mich genauso von sich fern, wie er sich an mich klammerte.
Plötzlich ließ er mich los, fuhr mit einem Ruck zurück und wandte sich dem monderfüllten Fenster zu. Abgespannt und bebend stand er da wie eine abgeschossene Bogensehne, doch seine Stimme war ruhig.
»Nein. So werde ich dich nicht benutzen, Claire. Ich ziehe dich da nicht hinein.«
Ich trat einen Schritt auf ihn zu, doch er gebot mir mit einer schnellen Bewegung Einhalt. Er drehte das Gesicht zum Fenster, ruhig jetzt und so leer wie das Glas, durch das er blickte.
»Geh ins Bett, mein Herz. Lass mich noch eine Weile; es geht mir gleich besser. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
Er streckte die Arme aus und griff an den Fensterrahmen, so dass sein Körper das Licht verdeckte. Seine Schultern waren vor Anstrengung geschwollen, und ich konnte sehen, dass er mit aller Kraft gegen das Holz drückte.
»Es war nur ein Traum. Jack Randall ist tot.«
Irgendwann schlief ich ein, während Jamie am Fenster verharrte und zum Gesicht des Mondes hinaufstarrte. Doch als ich im Morgengrauen erwachte, schlief er, auf der Fensterbank zusammengerollt, in sein Plaid gehüllt, meinen Umhang über die Beine gezogen, um sich zu wärmen.
Er erwachte, als ich mich im Zimmer zu bewegen begann, und schien wieder ganz er selbst zu sein, unerträglich fröhlich wie jeden Morgen. Doch ich hatte nicht vor, die Ereignisse der Nacht einfach zu vergessen, und begab mich nach dem Frühstück zu meiner Arzneitruhe.
Zu meiner Verärgerung fehlten mir mehrere der Kräuter, die ich für den Schlaftrunk brauchte, der mir vorschwebte. Doch dann fiel mir der Mann ein, von dem mir Marguerite erzählt hatte. Raymond, der Kräuterhändler an der Rue de Varennes. Ein Zauberer, hatte sie gesagt. Ein Laden, der einen Besuch lohnte. Nun denn. Jamie würde sich den ganzen Morgen im Lagerhaus aufhalten. Ich hatte die Kutsche und einen Bediensteten zu meiner Verfügung; also würde ich diesen Laden besuchen.
Eine saubere Holztheke zog sich auf beiden Seiten an der gesamten Ladenwand entlang. Die Regale dahinter reichten doppelt mannshoch vom Boden bis zur Decke. Einige Etagen der Regale waren mit Glasschiebetüren verschlossen, vermutlich, um die selteneren und kostspieligeren Substanzen zu schützen. Fette, vergoldete Posaunenengel schwebten verlassen über den Schränken und bliesen in ihre Hörner, wedelten mit ihren Gewändern und vermittelten überhaupt den Eindruck, als hätten sie sich einige der alkoholischeren Waren des Ladens eingeflößt.
»Monsieur Raymond?«, erkundigte ich mich höflich bei der jungen Frau hinter der Ladentheke.
»
Zauberer oder nicht, das richtige Ambiente dafür hatte Raymond jedenfalls. Von einem schwarzen Schieferkamin erhob sich Rauch, der sich unter den niedrigen schwarzen Dachbalken ringelte. Auf einer gelochten Steinplatte über dem Feuer standen gläserne Destillierkolben, kupferne Pelikangefäße, aus deren langen Ausgüssen seltsame Substanzen in Becher tropften – und etwas, was eine kleine, aber funktionierende Destille zu sein schien. Ich schnupperte vorsichtig. Aus der Richtung des Feuers kam eine berauschende Alkoholnote, die deutlich aus den anderen, kräftigen Gerüchen des Ladens herausstach. Eine ordentliche Reihe sauberer Flaschen auf der Anrichte bestätigte meine ursprüngliche Vermutung. Ganz gleich, was für Talismane und Tränke er ansonsten verkaufte, Meister Raymond trieb offensichtlich schwunghaften Handel mit feinstem Kirschbrandy.
Der Destilleur selbst hockte vor dem Feuer und schob verirrte Holzkohlestückchen zurück in den Feuerrost. Als er mich hereinkommen hörte, richtete er sich auf und wandte sich mir zu, um mich mit einem freundlichen Lächeln zu begrüßen.
»Wie geht es Euch?«, sagte ich höflich über seinen Scheitel hinweg. Der Eindruck, dass ich in eine Zauberstube eingetreten war, war so stark, dass ich nicht überrascht gewesen wäre, wenn mir ein Quaken geantwortet hätte.