Ich hatte einige von Franks Büchern mitgebracht, die ich der Bibliothek von Inverness stiften wollte. Sie lagen ordentlich nebeneinander am Boden meines Koffers und bildeten das Fundament für die weniger soliden Gegenstände darüber. Ich zog sie nacheinander hervor und legte sie auf das Bett. Fünf gebundene Exemplare in glänzenden farbigen Schutzumschlägen. Schöne, umfangreiche Bücher von jeweils fünf- oder sechshundert Seiten, den Index und die Illustrationen nicht mitgerechnet.
Die gesammelten Werke meines verstorbenen Mannes in der kommentierten Ausgabe. Zentimeterhohe bewundernde Kritiken zierten die Umschlagklappen, Kommentare sämtlicher anerkannten Experten im historischen Feld. Nicht schlecht für ein Lebenswerk, dachte ich. Eine Leistung, auf die man stolz sein konnte. Kompakt, gewichtig, relevant.
Ich stapelte die Bücher ordentlich neben meiner Tasche auf dem Tisch, um sie am Morgen nicht zu vergessen. Jeder Buchrücken trug natürlich einen anderen Titel, doch ich stapelte sie so, dass das identische »Frank W. Randall« jeweils übereinander zu liegen kam. Sie leuchteten wie Edelsteine im kleinen Lichtkegel der Nachttischlampe.
Es war still in der Pension; es war noch früh im Jahr für Gäste, und die wenigen, die da waren, waren längst schlafen gegangen. Brianna schnaufte leise im Bett und drehte sich im Schlaf um, so dass ihr die langen roten Haarsträhnen im träumenden Gesicht liegen blieben. Ihr langer, nackter Fuß ragte aus der Bettwäsche hervor, und ich zog sacht die Decke darüber.
Der Impuls, ein schlafendes Kind zu berühren, lässt niemals nach, auch wenn das Kind längst um einiges größer ist als seine Mutter und es selbst schon eine Frau ist – wenn auch eine junge. Ich strich ihr das Haar aus dem Gesicht und ließ ihr die Hand über den Scheitel gleiten. Sie lächelte im Schlaf, ein kurzer zufriedener Reflex, der so schnell wieder verschwand, wie er erschienen war. Mein eigenes Lächeln verweilte, während ich sie beobachtete und ihr in die schlaftauben Ohren flüsterte wie schon so oft zuvor: »Gott, wie ähnlich du ihm bist.«
Ich schluckte den kleinen Kloß in meinem Hals herunter – inzwischen war er fast Gewohnheit – und nahm meinen Morgenmantel von der Stuhllehne. In den schottischen Highlands war es im April des Nachts verdammt kalt, doch ich war noch nicht bereit, ebenfalls die warme Zuflucht meines Bettes aufzusuchen.
Ich hatte die Wirtin gebeten, den Kamin im Salon brennen zu lassen, und ihr versichert, dass ich die Glut abdecken würde, ehe ich schlafen ging. Leise schloss ich die Tür, die langen Gliedmaßen und den Wasserfall aus roter Seide auf der blauen Bettdecke noch vor Augen.
»Auch nicht schlecht für ein Lebenswerk«, flüsterte ich in den dunklen Flur hinein. »Vielleicht ja nicht ganz so kompakt, aber auf jeden Fall verdammt relevant.«
Es war dunkel und gemütlich in dem kleinen Salon, wo das Feuer so weit heruntergebrannt war, dass es sich als glühender Streifen über das Rückgrat eines großen Scheites zog. Ich zog einen kleinen Armsessel vor das Feuer und stützte meine Füße auf die Kaminschürze. Ringsum konnte ich all die normalen Geräusche des modernen Lebens hören; das leise Summen des Kühlschranks unten im Keller, das Brummen und Rauschen der Heizung, die das Kaminfeuer von der Notwendigkeit zum Luxus machte; hin und wieder die Reifen eines vorbeifahrenden Autos im Freien.
Doch darunter lag die tiefe Stille einer Highlandnacht. Ich saß ganz still und streckte meine Fühler danach aus. Es war zwanzig Jahre her, dass ich sie zuletzt gespürt hatte, aber die tröstende Macht der Dunkelheit war noch da, nistete zwischen den Bergen.
Ich griff in die Tasche meines Morgenmantels und zog das zusammengefaltete Stück Papier heraus – eine Kopie der Liste, die ich Roger Wakefield gegeben hatte. Es war zu dunkel, um im Schein des Feuers zu lesen, doch ich brauchte die Namen nicht zu sehen. Ich faltete das Papier auf meinem in Seide gehüllten Knie auseinander und starrte blicklos auf die unlesbaren Zeilen. Langsam fuhr ich mit dem Finger über jede einzelne Zeile, murmelte den Namen jedes einzelnen Mannes vor mich hin wie ein Gebet. Sie gehörten zu der kalten Frühlingsnacht, mehr als ich es tat. Doch ich blickte weiter in die Flammen, ließ die Dunkelheit aus dem Freien kommen, damit sie die leeren Stellen in meinem Inneren füllte.
Und während ich ihre Namen sprach, als wollte ich sie herbeirufen, begann ich meinen Weg zurück, durchquerte ich die leere Dunkelheit hin zu dem Ort, an dem sie warteten.
Kapitel 2
Die Spannung steigt
Am nächsten Morgen verließ Roger Culloden House mit zwölf Seiten voller Notizen und einem Gefühl zunehmender Verblüffung. Was ihm eigentlich wie ein absolut geradliniges historisches Rechercheprojekt erschienen war, legte jetzt einige wirklich seltsame Wendungen an den Tag.