»Es gibt hier ganz in der Nähe einen Steinkreis auf einem Hügel. Also sind wir vor Tagesanbruch dort hingefahren, um, na ja, um sie zu bespitzeln«, fuhr sie mit einem entschuldigenden Achselzucken fort. »Sie wissen ja, wie Wissenschaftler sind; kein Gewissen, wenn es um ihr Fachgebiet geht, geschweige denn irgendwelches Feingefühl.« Bei diesen Worten zuckte Roger zwar sacht zusammen, nickte aber ironisch zustimmend.
»Und da waren sie dann«, sagte sie. »Auch Mrs. Graham, alle mit Bettlaken bekleidet, singend und tanzend in der Mitte des Steinkreises. Frank war fasziniert«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu. »Und es
Sie hielt einen Moment inne und betrachtete Roger kalkulierend.
»Ich hatte schon gehört, dass Mrs. Graham vor ein paar Jahren gestorben ist. Aber ich frage mich … wissen Sie, ob sie Verwandte hatte? Die Mitgliedschaft in solchen Gruppen ist, glaube ich, oft erblich; vielleicht gibt es ja eine Tochter oder Enkeltochter, die mir etwas erzählen könnte.«
»Also«, sagte Roger langsam. »Sie hat eine Enkeltochter – Fiona heißt sie, Fiona Graham. Sie hilft sogar seit dem Tod ihrer Großmutter im Pfarrhaus aus; der Reverend war so gebrechlich, dass man ihn nicht sich selbst überlassen konnte.«
Wenn ihm irgendetwas seine Vision der in einem Bettlaken tanzenden Mrs. Graham austreiben konnte, war es die Vorstellung, die neunzehnjährige Fiona könnte die Hüterin uralten mystischen Wissens sein, doch Roger riss sich tapfer zusammen und fuhr fort.
»Sie ist im Moment zwar leider nicht hier, aber ich könnte sie für Sie fragen.«
Claires schlanke Hand winkte ab. »Machen Sie sich keine Umstände. Das kann warten. Wir haben schon viel zu viel von Ihrer Zeit in Anspruch genommen.«
Zu Rogers Bestürzung stellte sie ihr leeres Glas auf den kleinen Tisch zwischen den Sesseln, und Brianna schien es gar nicht abwarten zu können, ihr noch volles Glas dazuzustellen. Ihm fiel auf, dass Brianna Randall an den Fingernägeln kaute. Diese winzige Spur von Unvollkommenheit verlieh ihm den Mut, den nächsten Schritt zu tun. Sie faszinierte ihn, und er wollte nicht, dass sie ging, ohne dass er darauf zählen konnte, dass er sie wiedersehen würde.
»Wo wir von Steinkreisen sprechen«, sagte er eilig. »Ich glaube, ich kenne die Stelle, von der Sie gesprochen haben. Sie ist sehr hübsch, und es ist nicht weit von hier.« Er lächelte Brianna Randall direkt an und stellte geistesabwesend fest, dass sie drei kleine Sommersprossen auf dem einen Wangenknochen hatte. »Ich dachte, ich beginne dieses Projekt vielleicht mit einem Ausflug nach Broch Tuarach. Es liegt in derselben Richtung wie der Steinkreis, also könnte man … aaach!«
Mit einem plötzlichen Ruck ihrer sperrigen Handtasche hatte Claire Randall beide Whiskygläser vom Tisch gefegt und Rogers Schoß mit Single Malt und reichlich Wasser übergossen.
»Oh, das tut mir leid«, entschuldigte sie sich sichtlich betroffen. Sie bückte sich und fing an, die Scherben aufzulesen, obwohl Roger stotternd versuchte, sie davon abzubringen.
Brianna, die ein paar Leinenservietten von der Anrichte geholt hatte, um ihr zu helfen, sagte: »Also wirklich, Mutter, ich habe keine Ahnung, wie man dich operieren lassen kann. Du kannst doch gar nicht mit Gegenständen umgehen, die kleiner als ein Brotkasten sind. Du hast ihm ja die ganzen Schuhe mit Whisky durchtränkt!« Sie kniete sich hin und fing an, Whisky und Scherben vom Boden aufzuwischen. »Und die Hose.«
Sie fischte eine frische Serviette von dem Stapel auf ihrem Arm und wischte Roger eifrig die Zehen blank, wobei ihm ihre rote Mähne wild um die Knie wehte. Dann hob sie den Kopf, richtete den Blick auf seine Oberschenkel und betupfte energisch die feuchten Stellen auf dem Cord. Roger schloss die Augen und dachte inbrünstig an fürchterliche Autounfälle auf der Landstraße, an Steuerformulare des Finanzamts und an den Blob aus dem All – alles, was verhindern konnte, dass er sich fürchterlich blamierte, während ihm Brianna Randalls warmer Atem durch den nassen Stoff seiner Hose drang.
»Äh, vielleicht möchten Sie den Rest lieber selbst machen?«, sagte eine Stimme etwa auf der Höhe seiner Nase, und als er die Augen öffnete, sah er sich einem tiefblauen Augenpaar und einem breiten Grinsen gegenüber. Mit wackeligen Knien nahm er ihr die Serviette ab, die sie ihm entgegenhielt, und atmete, als hätte ihn ein D-Zug verfolgt.
Als er den Kopf senkte, um sich die Hose trocken zu reiben, fiel sein Blick auf Claire Randall, die ihn mit einer Mischung aus Mitgefühl und Belustigung beobachtete. Sonst war ihrer Miene nichts mehr anzusehen; keine Spur dessen, was er kurz vor der Katastrophe in ihren Augen aufblitzen gesehen hatte – so glaubte er. Verlegen, wie er war, vermutete er jetzt, dass es nur Einbildung gewesen war. Denn warum in aller Welt hätte sie es absichtlich tun sollen?