Auch Jamie wurde ein wenig mulmig angesichts dieser Demonstration modernen medizinischen Wissens.
»Aye, nun ja«, sagte er, um Beiläufigkeit bemüht, zu Rabbie, »sie essen Frösche, weißt du. Und Schnecken. Da ist eine Nachgeburt vielleicht gar nicht so seltsam.« Er fragte sich im Stillen, ob sie nicht bald schon selber Frösche und Schnecken essen würden, hielt es jedoch für besser, diese Überlegung für sich zu behalten.
Rabbie stieß Geräusche aus, als müsste er sich übergeben. »Himmel, wer möchte da ein Franzmann sein!«
Fergus, der dicht neben Rabbie stand, fuhr herum, und seine Faust kam angeschossen wie der Blitz. Für sein Alter war er zwar klein und schmal, doch er war kräftig und zielte todsicher nach den Schwachstellen eines anderen, eine Fähigkeit, die er sich als jugendlicher Taschendieb auf den Straßen von Paris angeeignet hatte. Der Hieb traf Rabbie mitten in den Bauch, und er krümmte sich unter Geräuschen vornüber, als sei jemand auf eine Schweineblase getreten.
»Bitte etwas Respekt, wenn du von denen sprichst, die dir überlegen sind«, sagte Fergus hochmütig. Rabbies Gesicht durchlief nacheinander mehrere Rottöne, und sein Mund öffnete und schloss sich wie bei einem Fisch, während er nach Atem rang. Die Augen quollen ihm mit einem Ausdruck großer Überraschung aus dem Kopf, und er sah so komisch aus, dass es Jamie Mühe kostete, nicht zu lachen, trotz seiner Sorge um Jenny und seiner Verärgerung über den Zank zwischen den Jungen.
»Könnt ihr kleinen Tölpel denn die Pfoten nicht voneinander …«, begann er, als ihn ein Ausruf des kleinen Jamie unterbrach, der bis jetzt geschwiegen hatte und der Unterhaltung fasziniert gefolgt war.
»Was?« Jamie fuhr herum, und seine Hand fuhr automatisch an die Pistole, die er stets bei sich trug, wenn er die Höhle verließ – doch es war gar keine englische Patrouille auf dem Hof, was er halb befürchtet hatte.
»Was zum Teufel ist denn los?«, wollte er wissen. Dann folgte er der Richtung, in die der Finger des Jungen zeigte, und sah sie. Drei kleine schwarze Flecken, die über dem braunen Gewirr der abgestorbenen Pflanzen auf dem Kartoffelacker dahinsegelten.
»Raben«, sagte er leise und spürte, wie ihm die Nackenhaare zu Berge standen. Es war ein besonders schlimmes Zeichen, wenn diese Vögel des Krieges und des Gemetzels während einer Geburt zu einem Haus kamen. Eins der dreckigen Biester ließ sich sogar vor seinen Augen auf dem Dachfirst nieder.
Ohne darüber nachzudenken, zog er die Pistole aus dem Gürtel, stützte den Lauf auf seinen Unterarm und zielte sorgfältig. Es war ein weiter Schuss von der Stalltür zum Dachfirst, und dann auch noch aufwärts. Dennoch …
Die Pistole zuckte in seiner Hand, und der Rabe explodierte in einer schwarzen Federwolke. Seine beiden Begleiter fuhren in die Luft, als hätte die Explosion sie fortgeblasen, und flatterten wie verrückt davon. Ihre heiseren Rufe verhallten schnell in der Winterluft.
»Aye, guter Schuss, Sir.« Rabbie war zwar immer noch rot und etwas kurzatmig, doch er hatte sich gerade noch gefasst, um den Schuss zu sehen. Jetzt wies er kopfnickend mit dem Kinn zum Haus. »Da, Sir, ist das die Hebamme?«
Sie war es. Mrs. Innes steckte den Kopf aus dem Fenster in der ersten Etage, und ihr blondes Haar wehte im Wind, als sie sich hinauslehnte, um auf den Hof zu blicken. Vielleicht hatte der Schuss sie herbeigerufen, und sie fürchtete, dass es Schwierigkeiten gab. Jamie trat aus dem Stall und winkte zum Fenster hinauf, um sie zu beruhigen.
»Es ist schon gut«, rief er. »Nur ein Missgeschick.« Die Raben erwähnte er lieber nicht, damit die Hebamme Jenny nicht davon erzählte.
»Kommt herauf«, rief sie, ohne seine Worte zu beachten. »Das Kind ist da, und Eure Schwester will Euch sehen!«
Jenny schlug ein Auge auf, blau und etwas schräg, genau wie seine Augen.
»Du bist ja doch da, aye?«
»Ich dachte, es sollte jemand hier sein – und sei es nur, um für dich zu beten«, sagte er schroff.
Sie schloss das Auge wieder, und ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie ähnelte, dachte er, einem Gemälde, das er in Frankreich gesehen hatte; ein altes Bild von irgendeinem Italiener, aber trotzdem ein gutes Bild.
»Du bist ein alberner Narr – und ich bin froh darüber«, sagte sie leise. Sie öffnete die Augen und senkte den Blick auf das eingewickelte Bündel, das sie in der Ellenbeuge hielt.
»Möchtest du ihn sehen?«
»Oh, ein Er, ja?« Mit der Erfahrung langer Jahre als Onkel hob er das kleine Päckchen auf und schmiegte es an sich. Dann schlug er die Decke zurück, die das Gesicht verhüllte.
Die Augen des Kleinen waren fest geschlossen, die Wimpern unsichtbar in der tiefen Falte der Augenlider. Die Lider selbst lagen deutlich schräg über den rötlichen glatten Rundungen der Wangen und schienen zu verheißen, dass das Kind – zumindest was diesen erkennbaren Zug betraf – seiner Mutter ähneln könnte.
Алекс Каменев , Владимир Юрьевич Василенко , Глуховский Дмитрий Алексеевич , Дмитрий Алексеевич Глуховский , Лиза Заикина
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