»Sir Fletcher lässt sich durch nichts und niemanden bei seinen Mahlzeiten stören«, sagte er. »Wer währenddessen etwas von ihm will, muss sich gedulden, bis er in aller Ruhe fertig gegessen und getrunken hat. Und nach der Mittagsmahlzeit hat er die Angewohnheit, sich für ein Verdauungsschläfchen in sein Quartier zurückzuziehen.«
Murtagh war vor einer Viertelstunde in der Rolle meines Pferdeknechts eingetroffen und ohne Probleme durchgelassen worden. Wir waren davon ausgegangen, dass man ihn zu Sir Fletchers Amtsstube führen und ihn dort warten lassen würde. Er sollte die Stube durchsuchen, erstens nach einem Plan des Westflügels und gleichzeitig – man wusste ja nie – nach Zellenschlüsseln.
Ich zögerte meine Ankunft ein wenig hinaus und blickte jetzt zum Himmel, um zu schätzen, wie spät es war. Wenn ich ankam, ehe sich Sir Fletcher zum Essen gesetzt hatte, war es ja möglich, dass ich eingeladen wurde, mit ihm zu speisen, was mir extrem ungelegen kommen würde. Doch Ruperts kartenspielende Bekannte hatten ihm versichert, dass die Gewohnheiten des Gefängnisverwalters unverrückbar waren; die Glocke zum Essen wurde um Punkt eins geläutet, und fünf Minuten später wurde die Suppe aufgetragen.
Der diensthabende Wachtposten am Eingang war derselbe wie gestern. Er sah zwar überrascht aus, begrüßte mich aber höflich.
»Es ist so ärgerlich«, sagte ich. »Eigentlich hatte mein Bediensteter ein kleines Geschenk für Sir Fletcher mitnehmen sollen, weil ich mich für seine Güte erkenntlich zeigen wollte. Aber dann habe ich gemerkt, dass der Dummkopf es vergessen hat, also musste ich ihm selbst damit folgen in der Hoffnung, ihn einzuholen. Ist er schon hier?« Ich zeigte dem Mann das kleine Päckchen, das ich dabeihatte, und lächelte – hätte ich doch Grübchen, dachte ich dabei. Da ich keine hatte, ließ ich stattdessen meine Zähne aufblitzen.
Anscheinend reichte das. Ich wurde eingelassen und durch die Gefängniskorridore zur Amtsstube des Verwalters geführt. Obwohl dieser Teil der Festung anständig möbliert war, war es nicht zu übersehen, dass es ein Gefängnis war. Dem ganzen Gebäude haftete ein Geruch an, von dem ich mir einbildete, dass es der Geruch von Elend und Angst war, obwohl es vermutlich nicht mehr als der Mief feuchter Gemäuer und das Fehlen von Abflussrohren war.
Der Wachtposten ließ mich vorgehen und folgte mir in diskretem Abstand, um mir nicht auf den Umhang zu treten. Das war auch verdammt gut so, denn ich bog ein kurzes Stück vor ihm um die Ecke zu Sir Fletchers Amtsstube, und mein Blick fiel gerade noch rechtzeitig durch die offene Tür auf Murtagh, der den bewusstlosen Körper des Wachtpostens in der Stube hinter den enormen Schreibtisch schleifte.
Hastig trat ich einen Schritt zurück und ließ mein Päckchen auf den Steinboden fallen. Glas zersplitterte, und es duftete überwältigend nach Pfirsichbrandy.
»Oje«, jammerte ich, »was habe ich nur
Während der Wachtposten nach einem Gefangenen rief, der den Schlamassel beseitigen sollte, murmelte ich taktvoll, ich würde in der Stube auf Sir Fletcher warten, schlüpfte hinein und schloss rasch die Tür hinter mir.
»Was zum Teufel hast du getan?«, fuhr ich Murtagh an, der gerade dabei war, den am Boden liegenden Mann zu durchsuchen, und sich von meinem Ton absolut nicht beeindrucken ließ.
»Sir Fletcher bewahrt keine Schlüssel in seinen Amtsräumen auf«, teilte er mir leise mit, »aber dieser gute Junge hier hat einen ganzen Satz.« Er zog dem Mann einen gewaltigen Ring aus dem Rock, vorsichtig, damit die Schlüssel nicht klirrten.
Ich sank hinter ihm auf die Knie. »Oh, sehr gut!«, sagte ich und warf einen prüfenden Blick auf den Soldaten. Zumindest atmete er noch. »Was ist mit einem Plan des Gefängnisses?«
Er schüttelte den Kopf. »Auch nicht in diesem Raum, aber mein Freund hier hat mir ein bisschen erzählt, während wir gewartet haben. Die Zellen der zum Tode Verurteilten sind auf dieser Etage, in der Mitte des westlichen Korridors. Es sind jedoch drei Zellen, und mehr konnte ich nicht fragen – er war sowieso schon etwas argwöhnisch geworden.«
»Das reicht – hoffe ich. Also schön, gib mir die Schlüssel und dann geh.«
»Ich?
»Nein, ich muss es selbst tun.« Ich streckte die Hand erneut nach den Schlüsseln aus. »Hör zu«, sagte ich ungeduldig. »Wenn sie dich dabei erwischen, wie du mit einem Schlüsselbund durch das Gefängnis spazierst, während der Mann hier wie ein toter Fisch am Boden liegt, sind wir beide erledigt, denn warum sollte ich nicht um Hilfe gerufen haben?« Ich ergriff die Schlüssel und stopfte sie mir mühselig in die Tasche.
Murtagh war zwar immer noch skeptisch, doch er hatte sich erhoben.
»Und wenn sie