Читаем Outlander – Feuer und Stein: 1 (German Edition) полностью

Einen Vorteil hatte diese Treppe. Durch ein schmales Fenster, das die Stufen vor der totalen Finsternis bewahrte, sah ich den zentralen Innenhof. Zumindest konnte ich mich jetzt orientieren. Eine Gruppe rot berockter Soldaten war in ordentlichen Reihen zur Inspektion angetreten, anscheinend jedoch nicht, um die Exekution eines schottischen Rebellen mit anzusehen. Auf dem Hof stand ein Galgen, schwarz und unheilvoll, aber leer. Sein Anblick traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Morgen früh. Ich ratterte jetzt die Treppe hinunter, ohne mich an aufgeschrammten Ellbogen und schmerzenden Zehen zu stören.

Mit rauschenden Röcken kam ich unten an und blieb stehen, um zu lauschen. Totenstille ringsum, doch dieser Teil der Burg wurde auf jeden Fall benutzt; in den Wandhaltern brannten Fackeln, die die Granitblöcke in Kreise aus flackerndem Rot tauchten. Jeder dieser Kreise verschmolz mit der Dunkelheit, ehe der nächste sein Licht zu werfen begann. Der Rauch der Fackeln hing in grauen Kringeln unter der Gewölbedecke des Korridors.

Von hier aus ging es nur in eine Richtung weiter. Ich hielt den Dolch einsatzbereit und setzte mich in Bewegung. Es war gespenstisch, auf leisen Sohlen durch diesen Korridor zu schleichen. Denn es war nicht das erste Mal, dass ich ein solches Verlies sah – Frank und ich hatten einige Ausflüge zu historischen Burgen unternommen. Doch in jener Zeit hatten Neonröhren an den Bögen der Decke den massiven Granitblöcken ihre bedrohliche Wirkung genommen. Ich erinnerte mich, wie ich selbst damals vor den kleinen, feuchten Kammern zurückgeschreckt war, obwohl sie seit über einem Jahrhundert nicht mehr in Gebrauch waren. Der Anblick dieser Überreste alter, grauenvoller Sitten, der dicken Türen und der rostigen Eisenfesseln hatte mir, so dachte ich damals, einen Eindruck von den Qualen der Menschen vermittelt, die in diesen Zellen eingekerkert gewesen waren. Jetzt konnte ich über solche Naivität nur lachen. Wie Dougal ganz richtig sagte, gab es Dinge, die sich die Phantasie nicht ausmalen konnte.

Ich huschte auf Zehenspitzen an verriegelten Türen vorbei, die fast zehn Zentimeter dick waren; dick genug, um jedes Geräusch aus dem Inneren zu dämpfen. Ich bückte mich vor jeder Tür, um darunter nach einem Lichtstreifen zu suchen. Möglich, dass man die Gefangenen normalerweise in der Dunkelheit verrotten ließ, doch Randall würde sehen müssen, was er tat. Der Boden war hier wie Gummi vom Schmutz der Jahre, bedeckt mit einer dicken Staubschicht. Anscheinend wurde dieser Teil des Gefängnisses gegenwärtig nicht offiziell genutzt. Doch die Fackeln signalisierten ja, dass irgendjemand hier war.

Die vierte Tür im Korridor zeigte mir das Licht, das ich suchte. Ich lauschte, indem ich mich auf den Boden kniete und das Ohr an die Ritze presste, doch ich hörte nichts außer dem leisen Knistern eines Feuers.

Die Tür war nicht verschlossen. Ich schob sie einen kleinen Spalt auf und blickte vorsichtig hinein. Jamie war da und saß zusammengekrümmt an der Wand auf dem Boden, den Kopf zwischen den Knien. Er war allein.

Die Kammer war klein, aber gut beleuchtet, und in einem Kohlebecken brannte ein heimeliges Feuerchen. Für ein Verlies war es erstaunlich gemütlich; der Steinboden war halbwegs sauber, und an der Wand stand ein schmales Feldbett. Weiterhin war das Zimmer mit zwei Stühlen und einem Tisch möbliert, auf dem sich eine Reihe von Gegenständen befanden, darunter eine große Zinnflasche und Hornbecher. Es war ein verblüffender Anblick, nachdem ich mir eher triefende Wände und umherhuschende Ratten ausgemalt hatte. Mir kam der Gedanke, dass sich die Garnisonsoffiziere diese Kuschelecke vielleicht eingerichtet hatten, um sich mit weiblicher Begleitung hierhin zurückzuziehen – falls sie denn eine Frau überreden konnten, sie im Gefängnis zu besuchen. Gegenüber der Kaserne hatte diese Zelle eindeutig den Vorteil, dass man hier für sich sein konnte.

»Jamie!«, rief ich leise. Er hob weder den Kopf noch antwortete er mir, und Angst durchzuckte mich. Ich blieb gerade so lange stehen, wie es dauerte, die Tür leise hinter mir zu schließen, dann durchquerte ich hastig das Zimmer und berührte seine Schulter.

»Jamie!«

Jetzt blickte er auf; sein Gesicht war leichenblass, unrasiert und mit kaltem Schweiß bedeckt, der ihm Haar und Hemd durchtränkt hatte. Die ganze Kammer stank nach Angst und Erbrochenem.

»Claire!«, sagte er heiser, und seine Lippen waren so trocken, dass sie aufplatzten. »Wie hast du – du musst sofort von hier verschwinden. Er kommt gleich zurück.«

»Red bitte keinen Unsinn.« Ich verschaffte mir einen Überblick, so schnell ich konnte, und hoffte, dass mir die Konzentration auf meine Aufgabe helfen würde, den Würgereiz zu ersticken und den Eisklumpen in meiner Magengrube zum Schmelzen zu bringen.

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