Ich ergriff mit spitzen Fingern den Hammer. Es war umständlich, die Eisenschelle so zu positionieren, dass die Wand ihr Halt gab, denn dazu musste Jamie das Bein mit dem Eisen unter dem anderen Bein hindurchkreuzen und dann das Knie gegen die Wand drücken.
Die ersten beiden Schläge waren zu schwach und zu zaghaft. Ich hüllte mich in Entschlossenheit wie in einen Umhang und hämmerte auf das runde Schlüsselende ein, so fest ich konnte. Der Hammer glitt ab und traf Jamie oberflächlich, aber trotzdem heftig genug am Knöchel. Er fuhr zurück, verlor sein mühsam gewahrtes Gleichgewicht, fiel um und streckte instinktiv die rechte Hand aus, um sich abzufangen. Er stieß ein gespenstisches Stöhnen aus, als sein rechter Arm unter ihm nachgab und seine Schulter zu Boden prallte.
»Oh, verdammt«, fluchte ich erschöpft. Jamie war ohnmächtig geworden, nicht dass ich ihm das verübeln konnte. Seine vorübergehende Reglosigkeit nutzte ich jedoch aus, um seinen Knöchel so zu drehen, dass das Eisen guten Halt hatte, und hämmerte hartnäckig auf den darin steckenden Schlüssel ein, was jedoch keine Wirkung zu haben schien. Ich dachte mir gerade meinen Teil über irische Schlosser, als neben mir auf einmal die Tür aufschwang.
Genau wie bei Frank spiegelte auch Randalls Gesicht nur selten wider, was er dachte, und präsentierte stattdessen eine ausdruckslose, undurchdringliche Fassade. Im Moment allerdings ließ ihn seine übliche arrogante Selbstbeherrschung im Stich, und er stand mit offenem Mund in der Tür, was ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Begleiter verlieh. Dieser Assistent war ein sehr großer, massiger Mann mit einer fleckigen, zerschlissenen Uniform, der die fliehende Stirn, die flache Nase und die losen, vorspringenden Lippen besaß, die typisch für einige Arten geistiger Behinderung waren. Seine Miene veränderte sich nicht, während er Randall über die Schulter glotzte, und er schien sich weder für mich noch für den bewusstlosen Mann auf dem Boden sonderlich zu interessieren.
Randall, der sich jetzt von seinem Schreck erholte, kam nun endgültig in das Zimmer und bückte sich, um Jamies Fußeisen zu kontrollieren. »Wie ich sehe, habt Ihr das Eigentum der Krone beschädigt, meine Gute. Das ist strafbar, wisst Ihr? Ganz zu schweigen davon, dass Ihr versucht habt, einem gefährlichen Gefangenen zur Flucht zu verhelfen.« Ein Hauch von Belustigung erschien in seinen blassgrauen Augen. »Wir werden uns etwas Angemessenes für Euch einfallen lassen müssen. Bis dahin …« Er riss mich hoch, drehte mir die Arme auf den Rücken und wickelte mir seine Halsbinde um die Handgelenke.
Widerstand war zwar eindeutig zwecklos, doch ich trat ihm auf die Zehen, so fest ich konnte, um wenigstens einen kleinen Teil meiner Frustration an ihm auszulassen.
»Autsch!« Er versetzte mir einen heftigen Stoß, so dass meine Beine das Bett trafen und ich halb liegend auf den groben Decken landete. Randall betrachtete mich mit grimmiger Genugtuung, während er sich die zerkratzte Spitze seines Schuhs mit einem Leinentaschentuch blank rieb. Zornig funkelte ich ihn an, und er lachte auf.
»Ein Feigling seid Ihr nicht, das muss ich Euch lassen. Ihr passt sogar perfekt zu ihm.« Er wies kopfnickend auf Jamie, der sich jetzt zu regen begann. »Und ein größeres Kompliment kann ich Euch nicht machen.« Er fasste sich vorsichtig an den Hals, wo sich die Haut unter seinem offenen Kragen dunkel verfärbt hatte. »Er hat versucht, mich einhändig umzubringen, als ich seine Fesseln gelöst habe. Und es wäre ihm tatsächlich um ein Haar gelungen. Eine Schande, dass mir nicht klar war, dass er Linkshänder ist.«
»Wie unvernünftig von ihm.«
»So ist es«, sagte Randall und nickte. »Ihr wärt vermutlich nicht so unhöflich, oder? Dennoch, vorsichtshalber …« Er wandte sich dem kräftigen Bediensteten zu, der einfach nur mit hängenden Schultern in der Tür stand und auf Anordnungen wartete.
»Marley«, befahl Randall, »komm her und durchsuch diese Frau nach Waffen.« Er sah nicht ohne Belustigung zu, wie der Mann mich ungeschickt betastete, bis er schließlich auf den Dolch stieß und ihn hervorzog.
»Mögt Ihr Marley etwa nicht?«, fragte der Hauptmann, während er zusah, wie ich versuchte, den dicken Fingern auszuweichen, die mich viel zu intim berührten. »Wirklich schade; ich bin mir sicher, er ist hingerissen von Euch. Der arme Marley hat einfach kein Glück mit Frauen«, fuhr der Hauptmann mit einem boshaften Glanz in den Augen fort. »Nicht wahr, Marley? Selbst die Huren wollen ihn nicht.« Seinem Blick war anzumerken, dass er etwas im Schilde führte, und er lächelte wie ein Wolf. »Zu groß, sagen sie.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Was ja etwas heißt, wenn eine derartige Feststellung von einer Hure kommt, nicht wahr?« Er zog die andere Augenbraue auch noch hoch, und es war völlig klar, was er meinte.
Marley, der im Lauf seiner Durchsuchung heftig zu keuchen begonnen hatte, hielt inne und wischte sich einen Speichelfaden aus dem Mundwinkel. Angewidert wich ich ihm aus, soweit ich konnte.