»Denkt noch einen Moment darüber nach.« Er stand auf, stieg vorsichtig über Jamies bewusstlose Gestalt hinweg und zog einen Schlüssel aus seiner Tasche. »Ich brauche Marleys Hilfe noch, aber dann schicke ich ihn zurück in sein Quartier – und Euch mit ihm, wenn Ihr Euch nicht kooperativ zeigen wollt.« Er bückte sich, schloss das Eisen auf und hievte den erschlafften Körper hoch, wobei er für einen so schlanken Mann beeindruckende Körperkraft an den Tag legte. Seine Unterarmmuskeln zeichneten sich unter dem Stoff seines weißen Hemds ab, während er Jamie, dessen Kopf leblos vor seiner Brust baumelte, zu einem Hocker in der Ecke zerrte. Kopfnickend wies er auf den Eimer, der danebenstand.
»Wecken«, befahl er dem schweigenden Hünen. Kaltes Wasser prallte spritzend von den Steinen in der Ecke ab und sammelte sich in einer schmutzigen Pfütze am Boden. »Noch einmal«, sagte Randall und betrachtete Jamie, der nun leise aufstöhnte und den Kopf an der Steinwand hin und her bewegte. Unter dem zweiten Wasserschwall zuckte er hustend zusammen.
Randall trat vor und packte ihn beim Haar. Dann riss er ihm den Kopf zurück und schüttelte ihn wie ein ertrunkenes Tier, so dass es schmutzige Wassertropfen regnete. Jamies Augen waren blicklose Schlitze. Angewidert ließ Randall Jamies Kopf los und wischte sich die Hand an der Hose ab, als er sich abwandte. Er musste die Bewegung zwar gesehen haben, weil er sich wieder zurückwendete, jedoch nicht rechtzeitig, um auf den plötzlichen Satz des Schotten gefasst zu sein.
Jamies Arme legten sich um Randalls Hals. Da er die rechte Hand nicht benutzen konnte, packte er mit der unverletzten linken sein rechtes Handgelenk, presste dem Engländer den Unterarm vor die Luftröhre und zog. Als Randall blau wurde und zusammenzusacken begann, ließ Jamie mit der Linken los, um sie dem Hauptmann in die Niere zu rammen. Obwohl Jamie so geschwächt war, hatte der Hieb eine solche Wucht, dass Randall ächzend in die Knie ging.
Jamie ließ den erschlafften Hauptmann fallen und fuhr in Richtung des gigantischen Bediensteten herum, der die Ereignisse bis jetzt beobachtet hatte, ohne dass auch nur ein Hauch von Interesse in seinem stumpfsinnigen Gesicht auftauchte. Obwohl seine Miene weiterhin unbeteiligt blieb, bewegte sich sein Körper, und er griff sich den Hammer, als Jamie nun mit dem Hocker in der gesunden Hand auf ihn zukam. Ein gewisser dumpfer Argwohn stahl sich in Marleys Gesicht, als sich die beiden Männer auf der Suche nach einem Angriffspunkt umkreisten.
Marley, der die bessere Waffe hatte, schwang mit dem Hammer nach Jamies Rippen. Jamie wirbelte davon und konterte mit dem Hocker, so dass der Bedienstete gezwungen war, zur Tür zurückzuweichen. Sein nächster Versuch, ein mörderischer Abwärtshieb, hätte Jamie den Schädel gespalten, wenn er sein Ziel getroffen hätte. Stattdessen zersplitterte der Hocker, der ein Bein und den Sitz verlor.
Ungeduldig schmetterte Jamie den Hocker mit seinem nächsten Hieb gegen die Wand und reduzierte ihn damit zu einem praktischeren Knüppel; ein guter halber Meter Holz mit einem gezackten, zersplitterten Ende.
Die Luft in der Zelle, stickig vom Qualm der Fackeln, war still bis auf den keuchenden Atem der beiden Männer und dem gelegentlichen schmerzhaften Zusammenprall von Holz und Haut. Da ich Angst hatte, etwas zu sagen, weil ich Jamie nicht in seiner Konzentration stören wollte, zog ich die Füße auf das Bett, drückte mich an die Wand und begnügte mich damit, nicht im Weg zu sein.
Mir war – genau wie dem Bediensteten, der bereits erwartungsvoll lächelte – klar, dass Jamie rasch ermüdete. Es war erstaunlich, dass er überhaupt auf den Beinen war, von einem Kampf ganz zu schweigen. Wir wussten alle drei, dass dieser Kampf nicht mehr lange dauern konnte; wenn Jamie überhaupt eine Chance haben wollte, musste er bald zu Ende sein. Unter kurzen, harten Schlägen mit dem Hockerbein bewegte er sich vorsichtig auf Marley zu und drängte den kräftigeren Mann in die Ecke, wo er nicht mehr richtig ausholen konnte. Der Bedienstete, der dies instinktiv begriff, wehrte sich mit einem gewaltigen horizontalen Hieb, mit dem er Jamie zum Rückzug zwingen wollte.
Doch statt rückwärtszugehen, trat Jamie auf den Hieb zu, der ihn mit voller Wucht an der linken Seite traf, während er gleichzeitig seinen Knüppel auf Marleys Schläfe niedersausen ließ. Ich hatte mich so sehr auf die Szene vor mir konzentriert, dass ich nicht auf Randall geachtet hatte, der neben der Tür am Boden lag. Doch als der Bedienstete jetzt mit glasigen Augen zu wanken begann, hörte ich Schuhe über Steine schlurfen, und schon atmete mir jemand rasselnd ins Ohr.
»Tapfer, tapfer, Fraser.« Randalls Stimme war zwar heiser von Jamies Würgegriff, doch sein Ton war so gefasst wie eh und je. »Hat Euch aber ein paar Rippen gekostet, oder?«
Jamie lehnte keuchend an der Wand. Er hatte den Knüppel noch in der Hand, und sein Blick sank auf den Boden, um die Distanz zu schätzen.