»Nein«, sagte ich geduldig und räusperte mich erneut; ich krächzte wie ein Ochsenfrosch. »Ihr habt Euch nicht verhört. Und Ihr bildet Euch das alles auch nicht ein. Wisst Ihr jetzt, warum ich wollte, dass Ihr es unter dem Siegel der Beichte hört?«
Er nickte ein wenig zerstreut.
»Ja. Ja, natürlich. Wenn … aber ja. Natürlich, Ihr wollt nicht, dass ich es jemandem erzähle. Und da Ihr es mir unter dem Siegel des Sakraments erzählt, geht Ihr davon aus, dass ich Euch glauben muss. Aber …« Er kratzte sich am Kopf, dann sah er mich an. Ein breites Lächeln zog sich langsam über sein Gesicht.
»Aber wie phantastisch!«, rief er leise aus. »Wie außergewöhnlich und wie wundervoll!«
»›Wundervoll‹ ist nicht ganz das Wort, das ich gewählt hätte«, wandte ich trocken ein, »aber ›außergewöhnlich‹ trifft wohl zu.« Ich hüstelte und streckte die Hand nach dem Wein aus.
»Aber es ist doch … ein Wunder«, sagte er wie zu sich selbst.
»Wenn Ihr darauf besteht«, erwiderte ich und seufzte. »Aber was ich wissen möchte, ist: Was soll ich tun? Bin ich des Mordes schuldig? Oder des Ehebruchs? Nicht, dass ich so oder so viel dagegen tun könnte, aber ich wüsste es gern. Und da ich nun einmal hier bin, wie sollte ich mich verhalten? Kann ich –
Er richtete sich auf dem Hocker auf und überlegte. Langsam hob er beide Zeigefinger, hielt sie mit den Spitzen aneinander und betrachtete sie ausgiebig. Schließlich schüttelte er den Kopf und lächelte mich an.
»Ich weiß es nicht,
Er wies mich sacht an, mich hinzuknien.
»Doch vorerst, mein Kind, spreche ich Euch los. Was auch immer Eure Sünden sein mögen, vertraut darauf, dass sie Euch vergeben werden.«
Er hob eine Hand zum Segen und legte mir die andere unter das Kinn. »
Er erhob sich und zog mich ebenfalls hoch.
»Danke, Vater«, sagte ich. Ungläubig, wie ich nun einmal war, hatte ich die Beichte nur benutzt, um ihn zu zwingen, mich ernst zu nehmen, und ich war einigermaßen überrascht über das Gefühl, dass die Bürde, die auf meinem Gemüt lastete, leichter wurde. Vielleicht war es ja nur die Erleichterung, jemandem die Wahrheit erzählt zu haben.
Er verabschiedete sich mit einer Handbewegung. »Ich sehe Euch morgen,
Er steuerte auf die Tür zu und legte dabei die Stola ordentlich zusammen. An der Tür hielt er noch einmal inne. Er wandte sich um und lächelte mich an. Seine Augen leuchteten aufgeregt wie die eines Kindes.
»Und vielleicht«, sagte er, »vielleicht könntet Ihr mir morgen … erzählen, wie es ist?«
Ich erwiderte sein Lächeln.
»Ja, Vater. Ich erzähle es Euch.«
Nachdem er gegangen war, wankte ich über den Flur, um nach Jamie zu sehen. Ich hatte schon Leichen gesehen, die in einem besseren Zustand waren als er, doch seine Brust hob und senkte sich regelmäßig, und die unheilvolle grünliche Verfärbung seiner Haut war verschwunden.
»Ich wecke ihn alle paar Stunden, um ihm ein paar Löffel Brühe einzuflößen«, sagte Bruder Roger leise neben mir. Er ließ den Blick vom dem Patienten zu mir schweifen und erschrak sichtlich über meine Erscheinung. Vermutlich hätte ich mir doch das Haar kämmen sollen. »Äh, vielleicht hättet Ihr gern … auch etwas?«
»Nein danke. Ich glaube … ich glaube, ich schlafe wirklich noch ein wenig.« Ich fühlte mich nicht mehr belastet von Schuld und Depression, sondern in mir breitete sich eine schläfrige, zufriedene Schwere aus. Ob es die Wirkung der Beichte war oder des Weins, zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass ich mich auf mein Bett und den Schlummer freute.
Ich beugte mich vor, um Jamie zu berühren. Er war warm, jedoch ohne jede Spur von Fieber. Sanft strich ich ihm über den Kopf und glättete ihm das wirre rote Haar. Sein Mundwinkel bewegte sich kurz und nahm dann seinen Platz wieder ein. Doch er hatte sich nach oben verzogen. Da war ich mir ganz sicher.
Der Himmel war kalt und feucht und bis zum Horizont von einer grauen Leere erfüllt, die mit dem Nebel auf den Hügeln und der schmutzigen Schneedecke der letzten Woche verschmolz, so dass das Kloster in einen verdreckten Wattebausch gehüllt zu sein schien. Auch im Inneren lastete die Stille des Winters schwer auf den Bewohnern. Die Lobgesänge in der Kapelle klangen dumpf, und die dicken Steinmauern schienen jedes Geräusch zu schlucken und die alltägliche Geschäftigkeit zu dämpfen.