Auf dem Rückweg vom Herbarium zum Hauptgebäude traf ich Anselm, der in der Nähe der Bibliothek aus dem Kreuzgang kam. Sein Gesicht erhellte sich, als er mich entdeckte, und er kam zu mir auf den Innenhof geeilt. Wir spazierten zusammen über das Gelände und unterhielten uns.
»Euer Problem ist wirklich interessant«, sagte er, brach ein Stöckchen von einem Busch an der Mauer ab und betrachtete die festen Winterknospen mit kritischem Blick, dann warf er das Stöckchen beiseite und hob den Kopf zum Himmel, wo die Sonne schwach aus der dünnen Wolkendecke lugte.
»Wärmer, aber noch ein weiter Weg bis zum Frühling«, stellte er fest. »Aber die Karpfen dürften heute munter sein; gehen wir doch zu den Fischteichen hinunter.«
Die Fischteiche, die keinerlei Ähnlichkeit mit den hübschen Zierbecken hatten, die ich mir vorgestellt hatte, waren kaum mehr als praktische Steintröge, die in günstiger Nähe zur Küche lagen. Sie waren mit Karpfen bestückt und lieferten die Nahrung für Freitage und Fastentage, an denen das Wetter es nicht erlaubte, im Meer nach den üblicheren Schellfischen, Heringen oder Flundern zu fischen.
Wie Anselm angekündigt hatte, waren die Fische munter. Ihre fetten Körper glitten umeinander, ihre grauen Schuppen spiegelten die Wolken wider, und die Heftigkeit ihrer Bewegungen schlug hin und wieder kleine Wellen, die bis an die Wände ihres steinernen Gefängnisses plätscherten. Als unsere Schatten auf das Wasser fielen, wandten sie sich uns zu wie Kompassnadeln, die sich nach Norden drehen.
»Sie erwarten, dass man sie füttert, wenn sie Menschen sehen«, erklärte Anselm. »Es wäre doch eine Schande, sie zu enttäuschen. Einen Moment,
Er eilte in die Küche und kehrte kurz darauf mit zwei alten Broten zurück. Gemeinsam traten wir an den Beckenrand, rissen Krumen von den Broten ab und warfen sie den ewig hungrigen Mäulern vor unseren Füßen zu.
»Also, Eure merkwürdige Situation hat zwei Aspekte«, begann Anselm schließlich und zerkleinerte dabei konzentriert sein Brot. Er warf mir einen Seitenblick zu, und ein plötzliches Lächeln erhellte sein Gesicht, während er staunend den Kopf schüttelte. »Ich kann es immer noch nicht recht glauben. Welch ein Wunder. Gott hat es wahrlich gut mit mir gemeint, mir so etwas zu offenbaren.«
»Nun, das ist ja sehr schön«, sagte ich trocken. »Ich weiß allerdings nicht, ob er es mit mir ebenso gut gemeint hat.«
»Wirklich?
»So kann man es auch ausdrücken«, murmelte ich.
»Aber man könnte sie auch als Zeichen betrachten, dass Ihr von Gott begünstigt seid«, fuhr er fort, ohne auf meine Unterbrechung einzugehen. Seine leuchtenden Augen betrachteten mich nachdenklich.
»Ich habe um Beistand gebetet, als ich vor dem heiligen Sakrament kniete«, sagte er, »und als ich dort in der Stille der Kapelle saß, hatte ich Euch als schiffbrüchige Reisende vor Augen. Und ich habe den Eindruck, dass das doch eine gute Parallele für Eure gegenwärtige Situation ist, oder nicht? Stellt Euch eine solche Seele vor, Madame, plötzlich in einem fremden Land verschollen, aller Freunde und aller vertrauten Dinge beraubt, ohne Mittel außer dem, was Euch das neue Land zur Verfügung stellt. Ein solches Geschehnis ist eine wahre Katastrophe, und doch kann es gleichzeitig der Ursprung großen Segens und neuer Gelegenheiten sein. Was, wenn das neue Land voller Reichtümer ist? Neue Freundschaften können entstehen, ein neues Leben kann beginnen.«
»Ja, aber …«, begann ich.
»Wenn Ihr also«, sagte er entschlossen und hob den Finger, um mir Einhalt zu gebieten, »Eures alten Lebens beraubt wurdet, ist es doch vielleicht nur deshalb geschehen, weil es Gott gefallen hat, Euch mit einem anderen Leben zu segnen, das vielleicht reicher und erfüllter ist.«
»Oh, erfüllt ist es, das stimmt«, pflichtete ich ihm bei. »Aber …«
»Nun, kirchenrechtlich betrachtet«, sagte er und zog die Stirn in Falten, »gibt es kein Problem bezüglich Eurer Ehen. Es waren – und sind – ja beides gültige Ehen, die mit dem Segen der Kirche geschlossen wurden. Und streng genommen datiert Eure Ehe mit dem jungen Herrn dort drinnen vor Eurer Ehe mit Monsieur Randall.«
»Ja, streng genommen«, stimmte ich zu und durfte ausnahmsweise einen Satz beenden. »Aber nicht in
Anselm lachte, und der leichte Wind ließ das spitze Ende seines Bartes beben.