»Interessiert Ihr Euch für Pferde, Kleine?«, wollte er wissen. Unter den Umständen konnte ich ja kaum nein sagen. Nachdem ich ihm zugestimmt hatte, dass Pferde wirklich sehr interessant waren, kam ich in den Genuss eines detaillierten Vortrags über die junge Stute auf der Koppel, die jetzt verschlafen dastand und hin und wieder mit dem Schweif nach einer Fliege schlug.
»Ihr dürft gern jederzeit kommen und sie Euch ansehen«, schloss Alec, »solange Ihr nicht so nah herangeht, dass Ihr die Pferde ablenkt. Sie müssen nämlich arbeiten.« Das war eindeutig als Verabschiedung gedacht, doch ich ließ mich nicht beirren, denn mir fiel wieder ein, warum ich eigentlich hergekommen war.
»Ja, ich werde aufpassen«, versprach ich. »Aber ehe ich zur Burg zurückgehe, wollte ich einen Blick auf Jamies Schulter werfen und die Verbände abnehmen.«
Alec nickte bedächtig, doch zu meiner Überraschung war es Jamie, der mich zurückwies und sich abwandte, um zur Koppel zurückzugehen.
»Ah, das kann etwas warten«, sagte er und wich meinem Blick aus. »Heute ist noch viel zu tun; vielleicht später nach dem Abendessen, aye?« Das kam mir seltsam vor; er hatte es doch vorhin nicht eilig gehabt, sich wieder an die Arbeit zu machen. Aber ich konnte ihn kaum zwingen, meine Zuwendungen über sich ergehen zu lassen. Achselzuckend erklärte ich mich bereit, ihn nach dem Essen zu sehen, und wandte mich bergauf, um zur Burg zurückzumarschieren.
Unterwegs dachte ich über die Form der Narbe an Jamies Hinterkopf nach. Es war keine gerade Linie, wie ein englisches Breitschwert sie hinterlassen hätte. Die Wunde war gekrümmt, als wäre sie durch eine abgerundete Klinge erzeugt worden. Eine Klinge wie die einer Lochaberaxt? Doch soweit ich wusste, hatten nur Highlandschotten diese mörderischen Äxte getragen – oder sie trugen sie, verbesserte ich mich.
Erst als ich ging, fiel es mir auf. Für einen jungen Mann, der auf der Flucht war und unbekannte Feinde hatte, hatte Jamie einer Fremden bemerkenswert viel anvertraut.
Nachdem ich den Picknickkorb in die Küche gebracht hatte, kehrte ich in das Sprechzimmer des verstorbenen Beaton zurück, das nach der Heimsuchung durch Mrs. Fitz’ energische Helferinnen jetzt makellos sauber war. Selbst die Dutzende von Glasflaschen im Schrank glänzten im dumpfen Licht des Fensterschlitzes.
Der Schrank schien mir ein guter Ausgangspunkt zu sein, da ich bereits über eine Liste der Kräuter und Medikamente verfügte. Ehe mich am Abend zuvor der Schlaf überwältigte, hatte ich einige Zeit damit verbracht, das blaue, in Leder gebundene Buch durchzublättern, das ich aus dem Sprechzimmer mitgenommen hatte. Es entpuppte sich als
Das Buch war in mehrere Rubriken unterteilt: »Bitterkräuter, Brechmittel und Electuarien«, »Pillen und Pastillen«, »Diverse Pflaster und ihre Tugenden«, »Tränke und Gegengifte« und ein ziemlich umfangreicher Teil, dessen Überschrift ominöserweise nur aus dem Wort »Purgiermittel« bestand.
Nachdem ich mir einige der Rezepte durchgelesen hatte, wurde mir der Grund für Davie Beatons Mangel an Heilerfolgen klar. »Bei Kopfschmerzen«, lautete ein Eintrag, »nehme man einen Pferdeapfel, der sorgfältig zu trocknen und dann zu Pulver zu zerstampfen ist. Das Ganze ist mit heißem Ale verrührt zu trinken.« Oder: »Gegen Krämpfe bei Kindern setze man fünf Blutegel hinter das Ohr.« Und ein paar Seiten weiter: »Ein Trank aus Schöllkrautwurzel, Gelbwurz und dem Saft von 200 Asseln verfehlt seine Wirkung bei Gelbsucht nicht.« Ich schloss das Buch und staunte über die große Anzahl von Patienten, die seine Behandlung den gewissenhaften Angaben in seinem Büchlein zufolge nicht nur überlebt hatten, sondern sich sogar von ihren ursprünglichen Beschwerden erholt hatten.
In der ersten Reihe des Schranks stand ein großes braunes Glas mit mehreren verdächtig aussehenden Kugeln, und angesichts von Beatons Rezepten schwante mir schon, was es wohl war. Ich drehte es um und las triumphierend das handgeschriebene Etikett:
Weitere Nachforschungen brachten zutage, dass