»Manchmal meine ich, mich an Kleinigkeiten zu erinnern – eine Lampe über meinem Kopf, die sacht hin- und herschwingt, eine Art ölig-süßer Geschmack auf meinen Lippen, Leute, die etwas zu mir sagen – aber ich habe keine Ahnung, ob irgendetwas davon real ist. Ich weiß, dass die Mönche mir Opium gegeben haben und ich fast die ganze Zeit geträumt habe.« Er legte die Finger flach auf seine geschlossenen Augenlider.
»Es gab einen Traum, den ich wieder und wieder geträumt habe. In meinem Kopf sind Baumwurzeln gewachsen, dick und knotig, immer größer sind sie geworden, haben sich durch meine Augen nach außen gedrückt und sich in meinen Hals geschoben, um mich zu erwürgen. Das steigerte sich immer mehr, und die Wurzeln haben sich gewunden und verknotet und hörten nicht auf zu wachsen. Am Ende waren sie so groß, dass mir der Schädel geplatzt ist, und ich bin vom Geräusch meiner berstenden Knochen aufgewacht.« Er verzog das Gesicht. »Ein matschiges Knacken wie Schüsse unter Wasser.«
»Uh!«
Plötzlich fiel ein Schatten auf uns, und ein kräftiger Stiefel stieß Jamie in die Rippen.
»Du alter Faulpelz«, sagte der Neuankömmling, jedoch ohne jeden Ärger. »Stopfst dich hier voll und lässt die Pferde in der Gegend herumlaufen. Und wann wird die kleine Stute endlich eingeritten, hm, Junge?«
»Es geht sicher nicht schneller, wenn ich verhungere, Alec«, erwiderte Jamie. »Iss doch erst einmal selbst einen Bissen; es ist genug da.« Die Hand, der er jetzt ein Stück Käse hinaufreichte, war von der Gicht verknotet. Die zu einer permanenten halben Faust gekrümmten Finger schlossen sich langsam um den Käse, und ihr Besitzer ließ sich ins Gras sinken.
Mit unerwarteter Höflichkeit stellte Jamie den Besucher vor; Alec MacMahon MacKenzie, Stallmeister von Leoch.
Der Stallmeister, eine kantige Gestalt in einer ledernen Kniehose und einem groben Hemd, strahlte, so empfand ich es, eine Autorität aus, die ausgereicht hätte, um auch den widerspenstigsten Hengst zur Ordnung zu rufen. »Ein Aug’ wie Mars, zum Droh’n und zum Gebieten«, das Zitat fiel mir spontan ein. Es war tatsächlich nur ein Auge, denn das andere war mit einer schwarzen Stoffklappe bedeckt. Wie um den Verlust auszugleichen, sprossen seine Augenbrauen aus der Mitte hervor, und aus den eigentlichen braunen Büscheln ragten lange graue Haare drohend wie Insektenfühler hervor.
Nachdem er meine Anwesenheit mit einem Kopfnicken zur Kenntnis genommen hatte, beachtete mich der alte Alec (so bezeichnete ihn Jamie, wohl um ihn von dem jungen Alec zu unterscheiden, der mich hergebracht hatte) nicht weiter, sondern teilte sein Augenmerk zwischen dem Essen und den drei jungen Pferden auf, die unten auf der Wiese mit den Schweifen wedelten. Mein Interesse schwand im Lauf einer langen Diskussion über die Abstammung mehrerer zweifellos hervorragender Pferde, die sich nicht unter den anwesenden befanden, über mehrere Jahrgänge der Zuchtbücher des gesamten Stalls und eine Reihe unverständlicher Merkmale der Pferdeanatomie, die mit den Sprunggelenken, dem Widerrist, den Schultern und anderen Körperstellen zu tun hatten. Da die einzigen Teile eines Pferdes, die ich identifizieren konnte, seine Nase, sein Schweif und seine Ohren waren, konnte ich dem Gespräch nicht folgen.
Ich lehnte mich auf die Ellbogen zurück und ließ mich von der Frühlingssonne wärmen. Dieser Tag hatte etwas seltsam Friedliches an sich, ein Gefühl, als nähme alles ganz im Stillen seinen Lauf, ohne sich an den Irrungen und Wirrungen des menschlichen Daseins zu stören. Vielleicht war es ja der Friede, den man im Freien immer findet, weit genug von jedem Haus und jedem Lärm entfernt. Vielleicht kam es von der Gartenarbeit, dieses leise Gefühl der Freude daran, etwas Wachsendes zu berühren und ihm gedeihen zu helfen. Vielleicht war es auch nur die Erleichterung, endlich zu tun zu haben, statt mich nur deplaziert in der Burg herumzudrücken und mir so auffällig vorzukommen wie ein Tintenklecks auf Pergament.
Obwohl ich mich nicht am Gespräch der Pferdenarren beteiligte, fühlte ich mich hier nicht im Geringsten fehl am Platze. Alec verhielt sich so, als sei ich nichts weiter als ein Teil der Landschaft, und Jamie warf zwar hin und wieder einen Blick in meine Richtung, doch auch er ignorierte mich zunehmend, und ihr Gespräch glitt in die singenden Rhythmen des Gälischen ab, ein sicheres Zeichen dafür, dass sich ein Schotte mit seinem Thema emotional verbunden fühlt. Da ich kein Wort verstand, war es so beruhigend, wie den Bienen zuzuhören, die im Heidekraut summten. Seltsam zufrieden und schläfrig schob ich jeden Gedanken an Colums Argwohn, meine missliche Lage und andere verstörende Ideen beiseite. »Ein jeder Tag hat seine Plage«, dachte ich verschlafen, denn das Bibelzitat geisterte mir gerade durch den Hinterkopf.