Und die Geräusche. Sie waren überwältigend gewesen, doch rückblickend dachte ich, dass sie dem Lärm einer Schlacht sehr ähnlich gewesen waren. Das Feldlazarett, dem ich angehörte, war dreimal mit Granaten beschossen worden. Obwohl alle wussten, dass uns die dünnen Wände unserer provisorischen Unterkünfte nicht schützen würden, waren sämtliche Ärzte, Schwestern und Helfer beim ersten Alarm hineingerannt und hatten sich aneinandergedrängt, um sich gegenseitig Mut zu machen. Mut ist Mangelware, wenn über einem die Mörsergranaten heulen und nebenan die Bomben einschlagen. Und das Grauen, das ich damals empfunden hatte, kam meinen Empfindungen im Inneren des Steins am nächsten.
Jetzt stellte ich fest, dass ich mich tatsächlich an einige Einzelheiten des eigentlichen Wegs durch den Stein erinnerte. Kleinigkeiten. Ich erinnerte mich an ein Gefühl der körperlichen Anstrengung, als würde ich von einer Art Strömung mitgerissen. Ja, ich hatte mich bewusst dagegen gewehrt, was auch immer es gewesen war. Es waren auch Bilder in der Strömung gewesen, dachte ich. Nein, eigentlich keine Bilder, eher Gedankenbruchstücke. Manche von ihnen waren grauenerregend, und ich hatte mich von ihnen fortgekämpft, während ich … nun, während ich »es« durchquerte. Hatte ich mich auf andere oder auf etwas zugekämpft? Mir war dumpf bewusst, dass ich mich auf eine Art Oberfläche zugekämpft hatte. Hatte ich mich irgendwie bewusst für diese Zeit
Ich schüttelte den Kopf. Durch Nachdenken würde ich keine Antworten finden. Das Einzige, was klar war, war die Tatsache, dass ich zu dem Steinkreis zurückkehren musste.
»Mistress?« Eine leise schottische Stimme an der Tür ließ mich aufblicken. Zwei Mädchen von etwa sechzehn oder siebzehn standen schüchtern im Korridor. Sie waren schlicht gekleidet, trugen Holzschuhe an den Füßen und hatten sich Leinenschals um die Haare gewunden. Das Mädchen, das mich angesprochen hatte, hatte einen Besen und zusammengefaltete Tücher dabei, ihre Begleiterin einen dampfenden Topf. Mrs. Fitz’ Küchenmädchen, die hier sauber machen wollten.
»Wir stören Euch doch nicht, Mistress?«, fragte die eine nervös.
»Nein, nein«, beruhigte ich sie. »Ich wollte sowieso gerade gehen.«
»Ihr habt das Mittagessen versäumt«, teilte mir die andere mit. »Aber Mrs. Fitz lässt Euch sagen, es gibt Essen für Euch in der Küche, wann immer Ihr möchtet.«
Ich blickte durch das Fenster am Ende des Korridors. Die Sonne stand tatsächlich ein wenig jenseits des Zenits, und mir wurde bewusst, dass mein Magen zunehmend knurrte. Ich lächelte den Mädchen zu.
»Ich glaube, das mache ich. Danke.«
Noch einmal brachte ich Proviant auf die Weide, weil ich fürchtete, dass Jamie sonst bis zum Abendessen nichts bekommen würde. Ich setzte mich ins Gras, um ihm beim Essen zuzusehen, und fragte ihn, warum er eigentlich als Viehdieb unter freiem Himmel gelebt hatte. Inzwischen hatte ich genug von den Leuten aus dem nahen Dorf und von den Burgbewohnern gesehen, um sagen zu können, dass Jamie nicht nur aus besserem Hause stammte als die meisten von ihnen, sondern auch gebildeter war. So, wie er mir das Gehöft seiner Familie beschrieben hatte, schien diese sogar ziemlich wohlhabend zu sein. Warum war er so weit von zu Hause fort?
»Ich bin ein Gesetzloser«, sagte er, als überraschte es ihn, dass ich das nicht wusste. »Die Engländer haben einen Preis von zehn Pfund Sterling auf meinen Kopf ausgesetzt. Nicht ganz so viel wie auf einen Straßenräuber«, fügte er selbstironisch hinzu, »aber ein bisschen mehr als für einen Taschendieb.«
»Nur wegen Widerstands gegen das Militär?«, fragte ich ungläubig. Zehn Pfund Sterling waren hier das halbe Jahreseinkommen eines kleinen Bauernhofs; ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass ein einzelner entflohener Gefangener der englischen Regierung so viel wert war.
»Och, nein. Wegen Mordes.« Ich verschluckte mich an meinem Brot. Jamie hämmerte mir hilfsbereit auf den Rücken, bis ich wieder sprechen konnte.
Mit tränenden Augen fragte ich: »W-wen hast du denn umgebracht?«
Er zuckte mit den Achseln. »Nun ja, es ist ein bisschen merkwürdig. Ich habe den Mann, wegen dessen Ermordung man mich sucht, nämlich überhaupt nicht umgebracht. Ich habe aber durchaus ein paar andere Rotröcke auf dem Gewissen, also ist es wahrscheinlich nicht unberechtigt.«
Er hielt inne und bewegte die Schultern, als scheuerte er sich an einer unsichtbaren Wand. Ich hatte ihn das schon einmal tun sehen, an meinem ersten Morgen in der Burg, als ich ihn verarztet und dabei die Narben auf seinem Rücken entdeckt hatte.