»Eibischwurzel«, erklärte sie. »Mein Mann hat hin und wieder Verdauungsbeschwerden. Furzt wie ein Ochse.«
Ich hielt es für das Beste, diesen Gesprächsfaden zu beenden, ehe er außer Kontrolle geriet. »Ich habe mich gar nicht vorgestellt«, sagte ich und streckte die Hand aus, um ihr von dem Baumstamm aufzuhelfen. »Mein Name ist Claire. Claire Beauchamp.«
Die Hand, die die meine ergriff, war schlank mit langen, geraden weißen Fingern, wobei mir auffiel, dass sie Flecken an den Fingerspitzen hatte, vermutlich von den Säften der Pflanzen, die zusammen mit der Eibischwurzel in ihrem Korb lagen.
»Ich weiß, wer Ihr seid«, sagte sie. »Das ganze Dorf redet von Euch, seit Ihr in der Burg seid. Mein Name ist Geillis. Geillis Duncan.« Sie warf einen Blick in meinen Korb. »Wenn Ihr auf der Suche nach
Ich nahm ihr Angebot gerne an, und wir spazierten eine Weile durch die bewaldeten Mulden rings um die Burg. Gemeinsam stocherten wir unter umgestürzten Baumstämmen herum und krochen an den Rändern der glitzernden Tümpel entlang, wo die kleinen Pilze in Hülle und Fülle wuchsen. Geillis kannte sich bestens mit den Pflanzen der Gegend und mit ihrer medizinischen Anwendung aus, auch wenn sie einige Verwendungsmöglichkeiten vorschlug, die ich zumindest fragwürdig fand. So hielt ich es für unwahrscheinlich, dass man Schafgarbe benutzen konnte, um einer Rivalin eine Warze auf der Nase wachsen zu lassen. Und ich bezweifelte ebenso, dass sich Kröten mit Hilfe von Heilziest in Tauben verwandeln ließen. Diese Erklärungen wurden von spitzbübischen Blicken begleitet, die mich vermuten ließen, dass sie versuchte herauszufinden, wie viel ich selber wusste – oder ob die Ortsbewohner recht hatten, die mich für eine Hexe hielten.
Trotz dieser gelegentlichen kleinen Provokationen empfand ich sie als angenehme Begleiterin, die sehr scharfsinnig war und eine fröhliche, wenn auch zynische Lebenseinstellung hatte. Sie schien alles zu wissen, was es über sämtliche Bewohner des Dorfes, der Umgebung und der Burg zu wissen gab, und wir legten immer wieder Pausen ein, in denen sie mich mit ihren Klagen über die Magenbeschwerden ihres Mannes und mit amüsantem, wenn auch manchmal böswilligem Tratsch unterhielt.
»Es heißt, der kleine Hamish ist nicht der Sohn seines Vaters«, sagte sie und meinte damit Colums einziges Kind, den rothaarigen Jungen von vielleicht acht Jahren, den ich beim Abendessen kennengelernt hatte.
Dieses Gerücht verblüffte mich nicht besonders, da ich diesbezüglich ja schon meine eigenen Schlüsse gezogen hatte. Ich war höchstens überrascht, dass es nur ein Kind von fragwürdiger Herkunft gab, und vermutete, dass Letitia entweder Glück gehabt hatte oder so klug gewesen war, rechtzeitig jemanden wie Geillis aufzusuchen. Dummerweise sagte ich das laut.
Geillis warf ihr langes blondes Haar zurück und lachte. »Mich doch nicht. Die schöne Letitia benötigt in solchen Dingen keine Hilfe, glaubt mir. Wenn die Leute in dieser Gegend nach einer Hexe suchen, suchen sie besser in der Burg als im Dorf.«
Da ich das Gespräch unbedingt auf weniger gefährliches Territorium steuern wollte, sagte ich das Erste, was mir in den Sinn kam.
»Wenn Hamish nicht Colums Sohn ist, wer soll denn dann sein Vater sein?«, fragte ich, während ich über einen Steinhaufen kletterte
»Oh, das sieht man doch.« Sie wandte sich zu mir um. Ihr kleiner Mund war spöttisch verzogen, und ihre grünen Augen leuchteten schelmisch. »Jamie.«
Ich kehrte allein zur Burg zurück. Vor der Mauer traf ich Magdalen, der das Haar lose unter dem Kopftuch hing und die vor Sorge große Augen hatte.
»Oh, da seid Ihr ja«, sagte sie mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung. »Wir waren schon auf dem Rückweg zur Burg, als ich gemerkt habe, dass Ihr nicht bei uns wart.«
»Es war sehr freundlich von Euch, mich zu suchen«, sagte ich und hob meinen Korb wieder auf, den ich im Gras abgestellt hatte. »Aber ich kenne den Weg.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ihr solltet Euch hüten, allein durch den Wald zu spazieren, erst recht jetzt, wo all das fahrende Volk zum
»Dass man mich im Auge behalten soll?«, vollendete ich liebenswürdig. Sie nickte zögernd, denn sie fürchtete offenbar, dass ich beleidigt sein könnte. Ich zuckte mit den Achseln und versuchte, ihr beruhigend zuzulächeln.
»Nun, das ist doch verständlich«, sagte ich. »Er muss schließlich auf mein Wort vertrauen, wer ich bin oder was mich hierher verschlagen hat.« Die Neugier war stärker als meine Zurückhaltung. »Was glaubt er denn, wer ich bin?«, fragte ich. Doch die junge Frau konnte nur den Kopf schütteln.
»Ihr seid englisch«, war alles, was sie sagte.