944 Gunther und Hagen, die Recken wohlgethanGelobten mit Untreuen ein Birschen in den Tann.Mit ihren scharfen Spießen wollten sie jagen Schwein’Und Bären und Wisende: was mochte Kühneres sein?945 Da ritt auch mit ihnen Siegfried mit stolzem Sinn.Man bracht ihnen Speise aller Art dahin.An einem kühlen Brunnen ließ er da das Leben:Den Rath hatte Brunhild, König Gunthers Weib,gegeben.946 Da gieng der kühne Degen hin, wo er Kriemhild fand.Schon war aufgeladen das edle BirschgewandIhm und den Gefährten: sie wollten über Rhein.Da konnte Kriemhilden nicht leider zu Muthe sein.947 Seine liebe Traute küsst’ er auf den Mund:"Gott laße mich dich, Liebe, noch wiedersehn gesundUnd deine Augen mich auch; mit holden Freunden deinKürze dir die Stunden: ich kann nun nicht bei dir sein."948 Da gedachte sie der Märe, sie durft es ihm nicht sagen,Nach der sie Hagen fragte: da begann zu klagenDie edle Königstochter, daß ihr das Leben ward:Ohne Maßen weinte die wunderschöne Fraue zart.949 Sie sprach zu dem Recken: "Laßt euer Jagen sein:Mir träumte heunt von Leide, wie euch zwei wildeSchweinUeber die Haide jagten: da wurden Blumen roth.Daß ich so bitter weine, das thut mir armem Weibe Noth.950 "Wohl muß ich fürchten Etlicher Verrath,Wenn man den und jenen vielleicht beleidigt hat,Die uns verfolgen könnten mit feindlichem Haß.Bleibt hier, lieber Herre, mit Treuen rath ich euch das."951 Er sprach: "Liebe Traute, ich kehr in kurzer Zeit;Ich weiß nicht, daß hier Jemand mir Haß trüg oder Neid.Alle deine Freunde sind insgemein mir hold;Auch verdient’ ich von den Degen wohl nicht anderleiSold."952 "Ach nein, lieber Siegfried: wohl fürcht ich deinen Fall.Mir träumte heunt von Leide, wie über dir zu ThalFielen zwei Berge, daß ich dich nie mehr sah:Und willst du von mir scheiden, das geht mirinniglich nah."953 Er umfieng mit Armen das zuchtreiche Weib,Mit holden Küssen herzt’ er ihr den schönen Leib.Da nahm er Urlaub und schied in kurzer Stund:Sie ersah ihn leider darnach nicht wieder gesund.954 Da ritten sie von dannen in einen tiefen TannDer Kurzweile willen; manch kühner RittersmannRitt mit dem König; hinaus gesendet wardAuch viel der edeln Speise, die sie brauchten zu der Fahrt.955 Manch Saumross zog beladen vor ihnen überrhein,Das den Jagdgesellen das Brot trug und den Wein,Das Fleisch mit den Fischen und Vorrath aller Art,Wie sie ein reicher König wohl haben mag auf der Fahrt.956 Da ließ man herbergen bei dem Walde grünVor des Wildes Wechsel die stolzen Jäger kühn,Wo sie da jagen wollten, auf breitem Angergrund.Auch Siegfried war gekommen: das warddem Könige kund.957 Von den Jagdgesellen ward umhergestelltDie Wart an allen Enden: da sprach der kühne Held,Siegfried der starke: "Wer soll uns in den WaldNach dem Wilde weisen, ihr Degen kühnund wohlgestalt?"958 "Wollen wir uns scheiden," hub da Hagen an,"Eh wir beginnen zu jagen hier im Tann:So mögen wir erkennen, ich und der Herre mein,Wer die besten Jäger bei dieser Waldreise sei’n.959 "Leute so wie Hunde, wir theilen uns darein:Dann fährt, wohin ihm lüstet, Jeglicher allein"Und wer das Beste jagte, dem sagen wir den Dank."Da weilten die Jäger bei einander nicht mehr lang.960 Da sprach der edle Siegfried: "Der Hunde hab ich RathBis auf einen Bracken, der so genoßen hat,Daß er die Fährte spüre der Thiere durch den Tann.Wir kommen wohl zum Jagen!" sprach der KriemhildeMann.961 Da nahm ein alter Jäger einen Spürhund hinter sichUnd brachte den Herren, eh lange Zeit verstrich,Wo sie viel Wildes fanden: was des erstöbert ward,Das erjagten die Gesellen, wie heut noch guter Jäger Art.962 Was da der Brack ersprengte, das schlug mit seiner HandSiegfried der kühne, der Held von Niederland.Sein Ross lief so geschwinde, daß ihm nicht viel entrann:Das Lob er bei dem Jagen vor ihnen allen gewann.963 Er war in allen Dingen mannhaft genug.Das erste der Thiere, die er zu Tode schlug,War ein starker Büffel, den traf des Helden Hand:Nicht lang darauf der Degen einen grimmen Leuen fand.964 Als den der Hund ersprengte, schoß er ihn mit dem BogenUnd dem scharfen Pfeile, den er darauf gezogen;Der Leu lief nach dem Schuße nur dreier Sprünge lang.Seine Jagdgesellen, die sagten Siegfrieden Dank.965 Einen Wisend schlug er wieder darnach und einen Elk,Vier starker Auer nieder und einen grimmen Schelk,So schnell trug ihn die Mähre, daß ihm nichts entsprang:Hinden und Hirsche wurden viele sein Fang.966 Einen großen Eber trieb der Spürhund auf.Als der flüchtig wurde, da kam in schnellem LaufAlles Jagens Meister und nahm zum Ziel ihn gleich.Anlief das Schwein im Zorne diesen Helden tugendreich.967 Da schlug es mit dem Schwerte der Kriemhilde Mann:Das hätt ein andrer Jäger nicht so leicht gethan.Als er nun gefällt lag, fieng man den Spürhund.Seine reiche Beute wurde den Burgunden allen kund.968 Da sprachen seine Jäger: "Kann es füglich sein,So laßt uns, Herr Siegfried, des Wilds ein Theil gedeihn:Ihr wollt uns heute leeren den Berg und auch den Tann."Darob begann zu lächeln der Degen kühnund wohlgethan.969 Da vernahm man allenthalben Lärmen und Getos.Von Leuten und von Hunden ward der Schall so groß,Man hörte widerhallen den Berg und auch den Tann.Vierundzwanzig Meuten hatten die Jäger losgethan.970 Da wurde viel des Wildes vom grimmen Tod ereilt.Sie wähnten es zu fügen, daß ihnen zugetheiltDer Preis des Jagens würde: das konnte nicht geschehn,Als bei der Feuerstätte der starke Siegfried ward gesehn.971 Die Jagd war zu Ende, doch nicht so ganz und gar,Zu der Feuerstelle brachte der Jäger ScharHäute mancher Thiere und des Wilds genug.Hei! was des zur Küche des Königs Ingesinde trug!972 Da ließ der König künden den Jägern wohlgeborn,Daß er zum Imbiß wolle; da wurde laut ins HornEinmal gestoßen: so machten sie bekannt,Daß man den edeln Fürsten nun bei den Herbergen fand.973 Da sprach ein Jäger Siegfrieds: "Mit eines Hornes SchallWard uns kund gegeben, Herr, daß wir nun allZur Herberge sollen: erwiedre ichs, das behagt."Da ward nach den Gesellen mit Blasen lange gefragt.974 Da sprach der edle Siegfried: "Nun räumen wir den Wald."Sein Ross trug ihn eben; die Andern folgten bald.Sie ersprengten mit dem Schalle ein Waldthierfürchterlich,Einen wilden Bären; da sprach der Degen hinter sich:975 "Ich schaff uns Jagdgesellen eine Kurzweil.Da seh ich einen Bären: den Bracken löst vom Seil.Zu den Herbergen soll mit uns der Bär:Er kann uns nicht entrinnen, und flöh er auch nochso sehr."976 Da lös’ten sie den Bracken: der Bär sprang hindann.Da wollt ihn erreiten der Kriemhilde Mann.Er kam in eine Bergschlucht: da konnt er ihm nicht bei:Das starke Thier wähnte von den Jägern schon sich frei.977 Da sprang von seinem Rosse der stolze Ritter gutUnd begann ihm nachzulaufen. Das Thier war ohne Hut,ES konnt ihm nicht entrinnen: er fieng es allzuhand;Ohn es zu verwunden, der Degen eilig es band.978 Kratzen oder beißen konnt es nicht den Mann.Er band es an den Sattel; auf saß der Schnelle dannUnd bracht es an die Feuerstatt in seinem hohen MuthZu einer Kurzweile, dieser Degen kühn und gut.979 Er ritt zur Herberge in welcher Herrlichkeit!Sein Sper war gewaltig, stark dazu und breit;Eine schmucke Waffe hieng ihm herab bis auf den Sporn;Von rothem Golde führte der Held ein herrliches Horn.980 Von beßerm Birschgewande hört ich niemals sagen.Einen Rock von schwarzem Zeuge sah man ihn tragenUnd einen Hut von Zobel, der reich war genug.Hei! was edler Borten an seinem Köcher er trug!981 Ein Vlies von einem Panther war darauf gezogenDes Wohlgeruches wegen. Auch trug er einen Bogen:Mit einer Winde must ihn ziehen an,Wer ihn spannen wollte, er hätt es selbst denn gethan.982 Von fremden Tierhäuten war all sein Gewand,Das man von Kopf zu Füßen bunt überhangen fand.Aus dem lichten Rauchwerk zu beiden Seiten holdAn dem kühnen Jägermeister schien manche Flittervon Gold.983 Auch führt’ er Balmungen, das breite schmucke Schwert:Das war solcher Schärfe, nichts blieb unversehrt,Wenn man es schlug auf Helme: seine Schneidenwaren gut.Der herrliche Jäger trug gar hoch seinen Muth.984 Wenn ich euch der Märe ganz bescheiden soll,So war sein edler Köcher guter Pfeile voll,Mit goldenen Röhren, die Eisen händebreit.Was er traf mit Schießen, dem war das Ende nicht weit.985 Da ritt der edle Ritter stattlich aus dem Tann.Gunthers Leute sahen, wie er ritt heran.Sie liefen ihm entgegen und hielten ihm das Ross:Da trug er an dem Sattel einen Bären stark und groß.986 Als er vom Ross gestiegen, löst’ er ihm das BandVom Mund und von den Füßen: die Hunde gleichzur HandBegannen laut zu heulen, als sie den Bären sahn.Das Thier zu Walde wollte: das erschreckte manchenMann.987 Der Bär durch die Küche von dem Lärm gerieth:Hei! was er Küchenknechte da vom Feuer schied!Gestürzt ward mancher Keßel, verschleudert mancherBrand;Hei! was man guter Speisen in der Asche liegen fand!988 Da sprang von den Sitzen Herr und Knecht zumal.Der Bär begann zu zürnen; der König gleich befahlDer Hunde Schar zu lösen, die an den Seilen lag;Und war es Wohl geendet, sie hätten fröhlichen Tag.989 Mit Bogen und mit Spießen, man säumte sich nicht mehr,Liefen hin die Schnellen, wo da gieng der Bär;Doch wollte Niemand schießen, von Hundenwars zu voll.So laut war das Getöse, daß rings der Bergwald erscholl.990 Der Bär begann zu fliehen vor der Hunde Zahl;Ihm konnte Niemand folgen als Kriemhilds Gemahl.Er erlief ihn mit dem Schwerte, zu Tod er ihn da schlug.Wieder zu dem Feuer das Gesind den Bären trug.991 Da sprachen, die es sahen, er wär ein starker Mann.Die stolzen Jagdgesellen rief man zu Tisch heran.Auf schönem Anger saßen der Helden da genug.Hei! was man Ritterspeise vor die stolzen Jäger trug!992 Die Schenken waren säumig, sie brachten nicht den Wein;So gut bewirthet mochten sonst Helden nimmer sein.Wären manche drunter nicht so falsch dabei,So wären wohl die Degen aller Schanden los und frei.993 Des wurde da nicht inne der verrathne kühne Mann,Daß man solche Tücke wider sein Leben spann.Er war in höfschen Züchten alles Truges bar;Seines Todes must entgelten, dem es nie ein Frommenwar.994 Da sprach der edle Siegfried: "Mich verwundert sehr,Man trägt uns aus der Küche doch so viel daher,Was bringen uns die Schenken nicht dazu den Wein?Pflegt man so der Jäger, will ich nicht Jagdgeselle sein.995 "Ich möcht es doch verdienen, bedächte man mich gut."Von seinem Tisch der König sprach mit falschem Muth:"Wir büßen euch ein andermal, was heut uns mußentgehn;Die Schuld liegt an Hagen, der will uns verdursten sehn."996 Da sprach von Tronje Hagen: "Lieber Herre mein,Ich wähnte, das Birschen sollte heute seinFern im Spechtsharte: den Wein hin sandt ich dort.Heute giebt es nichts zu trinken, doch vermeid iches hinfort."997 Da sprach der edle Siegfried: "Dem weiß ich wenigDank:Man sollte sieben Lasten mit Meth und LautertrankMir hergesendet haben; konnte das nicht sein,So sollte man uns näher gesiedelt haben dem Rhein."998 Da sprach von Tronje Hagen: "Ihr edeln Ritter schnell,Ich weiß hier in der Nähe einen kühlen Quell:Daß ihr mir nicht zürnet, da rath, ich hinzugehn."Der Rath war manchem Degen zu großem Leidegeschehn.999 Siegfried den Recken zwang des Durstes Noth;Den Tisch hinwegzurücken der Held alsbald gebot:Er wollte vor die Berge zu dem Brunnen gehn.Da war der Rath aus Arglist von den Degen geschehn.1000 Man hieß das Wild auf Wagen führen in das Land,Das da verhauen hatte Siegfriedens Hand.Wer es auch sehen mochte, sprach großen Ruhmihm nach.Hagen seine Treue sehr an Siegfrieden brach.1001 Als sie von dannen wollten zu der Linde breit,Da sprach von Tronje Hagen: "Ich hörte jederzeit,Es könne Niemand folgen Kriemhilds Gemahl,Wenn er rennen wolle; hei! schauten wir das einmal!"1002 Da sprach von Niederlanden der Degen kühn und gut:"Das mögt ihr wohl versuchen: wenn ihr mit mir thutEinen Wettlauf nach dem Brunnen? Soll das geschehn,So habe der gewonnen, den wir den vordersten sehn."1003 "Wohl, laßt es uns versuchen," sprach Hagen der Degen.Da sprach der starke Siegfried: "So will ich mich legen,Verlier ich, euch zu Füßen nieder in das Gras."Als er das erhörte, wie lieb war König Gunthern das!1004 Da sprach der kühne Degen: "Noch mehr willich euch sagen:Gewand und Gewaffen will ich bei mir tragen,Den Wurfspieß samt dem Schilde und all meinBirschgewand."Das Schwert und den Köcher um die Glieder schneller band.