Apropos, wo seid ihr, meine lieben Mitschwestern, ihr unermüdlichen Botschafterinnen unseres
Wohin geht's, General? Springen wir auf das Tragflügelboot nach Macao, um ein paar Dollar in der Hölle zu verbrennen, oder gehen wir hinauf in die Bar
Die Botschaft
Diese Ecke des Krankenhauses erweckt zwar den falschen Eindruck eines angelsächsischen College, aber die Stammgäste der Cafeteria gehören ganz sicher nicht zum Club der toten Dichter. Die Mädchen haben harte Augen, die Jungen Tätowierungen und manchmal Ringe an den Fingern. Sie sitzen in ihren Sesseln beisammen, um über Raufereien und Motorräder zu reden, und rauchen eine Zigarette nach der anderen. Alle scheinen ein Kreuz auf ihren schon gebeugten Schultern zu tragen, ein Galeerenschicksal mitzuschleppen, in dem der Aufenthalt in Berck nur eine Station zwischen einer Kindheit als geschlagener Hund und einer Zukunft als Arbeitsloser ist. Wenn ich durch ihre verrauchte Höhle fahre, wird es still wie in der Sakristei, aber ich kann in ihren Augen weder Mitleid noch Mitgefühl lesen.
Durch das offene Fenster hört man das bronzene Herz des Krankenhauses schlagen, die Glocke, die das Himmelsblau viermal in der Stunde zum Schwingen bringt. Auf einem Tisch voll leerer Becher ruht eine Schreibmaschine mit einem quer eingespannten rosa Blatt Papier. Wenn das Blatt vorläufig auch jungfräulich bleibt, bin ich doch sicher, daß eines Tages eine Botschaft für mich darauf stehen wird. Ich warte.
Im Musee Grévin
Heute nacht habe ich im Traum das Musee Grévin besichtigt. Es hatte sich sehr verändert. Der Eingang im Stil der Belle Epoque, die Zerrspiegel und das Gruselkabinett waren noch da, aber die Galerien mit den Persönlichkeiten aus der Gegenwart hatte man verschwinden lassen. Im ersten Raum habe ich die ausgestellten Personen nicht gleich erkannt. Da der Kostümbildner sie in Stadtkleidung gesteckt hatte, mußte ich sie eine nach der anderen mustern und ihnen im Geist einen weißen Kittel überziehen, bevor ich merkte, daß diese gaffenden Kerle im T-Shirt, diese Mädels im Minirock, diese zur Statue erstarrte Hausfrau mit ihrem Einkaufswagen, dieser junge Mann mit Motorradhelm in Wirklichkeit die Krankenschwestern und Pfleger waren, die sich von morgens bis abends an meinem Bett ablösen. Alle waren sie da, in Wachs erstarrt, die Sanften, die Brutalen, die Sensiblen, die Gleichgültigen, die Aktiven, die Faulen, die, zu denen ein näherer Kontakt entsteht, und die, in deren Händen ich nur ein Kranker unter anderen bin.
Anfangs haben manche mich in Angst und Schrecken versetzt. Ich sah in ihnen nur meine Gefängniswärter, die Gehilfen bei einem abscheulichen Komplott. Später habe ich andere gehaßt, wenn sie mir den Arm umdrehten, während sie mich in den Rollstuhl setzten, mich eine ganze Nacht vor dem eingeschalteten Fernseher vergaßen, mich trotz meines Kopfschüttelns in einer schmerzhaften Haltung sitzenließen.
Einige Minuten oder einige Stunden lang hätte ich sie umbringen können. Und dann, da die Zeit die kälteste Wut verschlingt, sind sie Vertraute geworden, die ihrer heiklen Mission, so gut es geht, nachkommen: unser Kreuz ein wenig aufzurichten, wenn es unsere Schultern zu sehr wund scheuert.
Ich habe sie mit Spitznamen versehen, die nur ich kenne, damit ich sie, wenn sie mein Zimmer betreten, mit meiner dröhnenden inneren Stimme anrufen kann: »Hallo, Blauauge!