John le Carré:
Smileys Leute oder
Agent in eigener Sache
Roman
Für meine Söhne
Simon, Stephen, Timothy
und Nicholas
in Liebe
erstellt von DocHorse
2003
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1
Zwei
scheinbar unzusammenhängende Ereignisse gingen dem Ruf voraus, der Smiley aus
seinem dubiosen Ruhestand zurückholen sollte. Das erste hatte als Ort der
Handlung Paris und als Zeit der Handlung den kochenden Monat August, wenn die
Pariser traditionsgemäß ihre Stadt der sengenden Sonne und den Busladungen
zusammengepferchter Touristen überlassen. An einem dieser Augusttage - dem
vierten, genau gesagt, und um Schlag zwölf Uhr, wie eine Fabriksirene, gefolgt
von einer Kirchenglocke, bezeugte - tauchte in einem quartier , das
einst für seinen hohen Anteil an russischen Emigranten der ärmeren Sorte
bekannt gewesen war, eine stämmige, etwa fünfzigjährige Frau mit einer
Einkaufstasche in der Hand aus der Dunkelheit eines alten Lagerhauses auf und
ging, nach ihrer Gewohnheit, energisch und zielstrebig das Trottoir entlang
zur Bushaltestelle. Die Straße war grau und eng und verödet, mit einigen kleinen
hôtels de passe und einer Menge Katzen. Aus irgendeinem Grund war die
Gegend besonders ruhig. Das Lagerhaus blieb, seiner verderblichen Waren wegen,
während der Urlaubszeit geöffnet. Die Hitze, geschwängert von Ausdünstungen,
die auch nicht der leiseste Lufthauch vertrieb, stieg wie aus einem Liftschacht
an ihr hoch, doch die slawischen Züge der Frau zeigten keinerlei Beschwer. Sie
war für Anstrengungen an einem heißen Tag weder gekleidet noch gebaut, denn sie
war so kurzbeinig und dickleibig, daß sie ein wenig rudern mußte, um vorwärts
zu kommen. Ihr schwarzes Kleid von klösterlicher Strenge wies weder eine Taille
noch irgendeinen Putz auf, wenn man von dem Käntchen weißer Spitze am Hals und
von einem großen abgegriffenen Kreuz aus vermutlich wertlosem Metall auf ihrem
Busen absah. Die rissigen Schuhe, deren Spitzen beim Gehen auswärts gerichtet
waren, erzeugten einen hallenden Trommelschlag zwischen den Häusern mit den
geschlossenen Fensterläden. Die schäbige Tasche, die seit dem frühen Morgen voll
war, gab ihrer Trägerin eine leichte Schlagseite, und man sah, daß sie an
Lasten gewöhnt war. Es ging aber auch etwas Fröhliches von ihr aus. Das graue
Haar war zu einem Knoten gefaßt, doch eine widerspenstige Stirnlocke wippte
über den Brauen im Rhythmus ihres Watschelschritts. Ein verwegener Humor
sprach aus ihren Augen. Ihr Mund über dem Boxerkinn schien bereit, beim
geringsten Anlaß zu lächeln.