Читаем Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7) полностью

Das Lokal war das letzte in der Straße, wenn nicht in ganz Paris, wo es weder Neonlicht noch Jukebox gab, dafür allerdings einige Spielautomaten, die von früh bis spät rumsten und blitzten. Im übrigen herrschte das gewohnte mittägliche Stimmengewirr; es ging um hohe Politik, Pferderennen oder was sonst die Pariser beschäftigt; da war auch das übliche Trio von Prostituierten, die leise miteinander sprachen, und ein stumpfsinniger junger Kellner in einem schmutzigen Hemd, der die neuen Gäste sofort zu einem Ecktisch führte, den ein schmuddeliges Campari-Aufstellschild als reserviert kennzeichnete. Es folgte ein Augenblick lächerlicher Banalität. Der Fremde bestellte zweimal Kaffee, doch der Kellner wandte ein, daß man zu Mittag nicht den besten Tisch des Hauses reservieren lasse, nur um Kaffee zu trinken: Der patron muß ja schließlich seine Miete bezahlen, Monsieur. Das Ganze in einem Patois, dem der Fremde nicht zu folgen vermochte, so daß die Ostrakowa übersetzen mußte. Der Fremde errötete und bestellte, ohne die Ostrakowa zu fragen, zweimal Schinkenomelett mit frites, sowie zwei Bier. Dann strebte er nach »Herren«, um sich aufzumöbeln - offenbar im Vertrauen darauf, daß sie ihm inzwischen nicht ausrücken werde -, und als er zurückkam, war sein Gesicht trocken und das rötliche Haar gekämmt, doch der Mief, der jetzt in dem geschlossenen Raum von ihm ausging, erinnerte die Ostrakowa an Moskauer U-Bahnen, an Moskauer Straßenbahnen und an Moskauer Verhörräume. Auf seinem kurzen Gang von der Herrentoilette zum Tisch hatte er ihr, beredter als mit allem, was er ihr je hätte sagen können, bestätigt, was sie bereits befürchtet hatte: Er war einer von »ihnen«. Der verborgene Dünkel, die bewußte Unmenschlichkeit des Ausdrucks, die gewichtige Art, wie er jetzt die Unterarme auf dem Tisch hochwinkelte und mit gespielter Unschlüssigkeit nach einem Stück Brot im Körbchen griff, als tauche er eine Feder ins Tintenfaß, das alles erweckte in der Ostrakowa die schlimmsten Erinnerungen an ihr Leben als »gefallene« Frau unter dem Druck einer übelwollenden Moskauer Bürokratie.

»So«, sagte er und nahm gleichzeitig ein Stück Brot. Er wählte ein knuspriges Endstück. Mit seinen Pranken hätte er es im Nu zerquetschen können, doch statt dessen zupfte er mit fetten Fingerspitzen damenhaft Flocken daraus, als sei dies die offizielle Eßart. Während er knabberte, rutschten seine Brauen in die Höhe, und seine Augen füllten sich mit Selbstmitleid, ich armer Mensch in diesem fremden Land. »Weiß man hierorts, daß Sie in Rußland ein unmoralisches Leben geführt haben?« fragte er schließlich. »Nun, vielleicht nehmen sie's in einer Stadt voller Huren damit nicht so genau.«

Die Antwort lag ihr fix und fertig auf der Zunge: Mein Leben in Rußland war nicht unmoralisch. Unmoralisch war nur Ihr System.

Aber sie sagte es nicht, sondern verharrte in Schweigen. Die Ostrakowa hatte sich geschworen, ihr scharfes Temperament und ihre scharfe Zunge an die Kandare zu nehmen, und sie half nun körperlich der Einhaltung dieses Gelübdes nach, indem sie unter dem Tisch ein Stück Haut an der weichen Innenseite des Handgelenks ergriff und es durch den Ärmel hindurch mit aller Gewalt zusammenkniff, so, wie sie es damals Hunderte von Malen getan hatte, als derartige Verhöre für sie an der Tagesordnung waren. - Wann haben Sie zuletzt von Ihrem Mann, dem Verräter Ostrakow, gehört? Nennen Sie alle Personen, mit denen Sie in den letzten drei Monaten zusammengekommen sind! Zu ihrer bitteren Erfahrung hatte sie auch die übrigen Lektionen des Verhörs gelernt. Ein Teil ihrer selbst spielte sie in diesem Augenblick durch, und obgleich diese Lektionen, geschichtlich gesehen, bereits der vorhergehenden Generation angehörten, schienen sie ihr so zutreffend, wie gestern, und ebenso lebenswichtig: nie der Ruppigkeit mit Ruppigkeit begegnen; sich nie provozieren lassen, nie auftrumpfen, nie witzig oder überlegen oder geistreich sein; sich nie aus der Fassung bringen lassen aus Wut oder Verzweiflung oder durch das Aufwallen einer jähen Hoffnung, die eine bestimmte Frage erwecken könnte. Stumpfsinn mit Stumpfsinn erwidern und Routine mit Routine. Und nur tief, tief innen die beiden Geheimnisse verwahren, die alle diese Erniedrigungen erträglich machten: ihren Haß auf »sie« und die Hoffnung, eines Tages, nach endlos vielen Tropfen Wasser auf den Stein, durch Verschleiß und durch eine wunderbare Fehlschaltung des schwerfälligen Behördengetriebes, von »ihnen« die Freiheit zu erhalten, die sie ihr verweigerten.

Er hatte ein Notizbuch gezogen. In Moskau wäre es die Akte Ostrakowa gewesen, aber hier in einem Pariser Bistrot war es ein glattes, schwarzes, ledergebundenes Notizbuch, über dessen Besitz sich in Moskau sogar ein Funktionär glücklich gepriesen hätte.

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