Lacon achtete nicht darauf. »Und die andere Sache ist ausgebügelt, wie ich gehört habe«, sagte er fröhlich. »Keine Folgen, kein Kuddelmuddel. Gut gemacht, George. Loyal. Ich werde mal sehen, wie wir uns dafür ein bißchen erkenntlich zeigen können. Ich weiß nicht mehr, was Sie alles schon haben. Ein Bursche hat kürzlich im Athenaeum gesagt, sie verdienten einen Adelstitel.« Das Taxi kam, und zu Smileys Verlegenheit bestand Lacon darauf, ihm die Hand zu schütteln. »George. Gehaben Sie sich wohl. Sie sind Spitze gewesen. Wir sind aus demselben Holz geschnitzt, George. Beide Patrioten, Geber, keine Nehmer. Zur Pflicht erzogen. An unserem Land. Wir müssen den Preis dafür bezahlen. Wenn Ann statt Ihrer Frau Ihr Agent gewesen wäre, Sie hätten sie wahrscheinlich tadellos geführt.«
Nach einem Anruf von Toby, der besagte, daß >der Handel spruchreif geworden war<, flog Smiley in aller Ruhe unter dem Arbeitsnamen Barraclough in die Schweiz. Vom Flughafen Zürich fuhr er mit dem Swissair-Bus nach Bern und begab sich direkt ins Hotel Bellevue, einen riesigen Prachtpalast von ruhiger Vornehmheit, von dem aus man an klaren Tagen über die Vorberge auf die glitzernden Alpen sehen konnte, der aber an diesem Abend in einen brauenden Winternebel eingehüllt war. Er hatte bescheidenere Unterkünfte in Erwägung gezogen. Er hatte an eine von Tobys sicheren Wohnungen gedacht. Aber Toby hatte ihn davon überzeugt, daß das Bellevue das Beste sei. Es besaß mehrere Ausgänge, es lag zentral, und es war das erste Hotel in Bern, in dem man ihn suchen würde, und daher das letzte, in dem Karla, sollte er nach ihm Ausschau halten, erwarten würde, ihn zu finden. Als er in die riesige Empfangshalle ging, hatte Smiley das Gefühl, ein Passagierschiff auf hoher See zu betreten.
21
Sein Zimmer war ein Schweizer
Miniatur-Versailles. Das Zylinderbüro war mit Messing verziert und hatte eine
Marmorauflage, ein Bartlett-Stich nach Lord Byrons Childe Harold hing über dem
uralten Doppelbett. Der Nebel vor dem Fenster bildete einen grauen Wall. Er
packte aus und ging dann wieder hinunter zur Bar, wo ein ältlicher Pianist ein
Potpourri von Schlagern aus den Fünfzigern spielte, einstmals Anns
Lieblingsmelodien und vermutlich auch seine. Er aß Käse, trank ein Glas Fendant
und dachte: jetzt. Jetzt ist es so weit. Um zehn Uhr machte er sich auf den Weg
in die Altstadt, die er sehr liebte. Die Straßen hatten Kopfsteinpflaster, die
frostige Luft roch nach gerösteten Kastanien und Zigarren. Die alten Brunnen
schienen durch den Nebel auf ihn zuzukommen, die mittelalterlichen Häuser
bildeten die Kulisse zu einem Spiel, in dem für ihn keine Rolle vorgesehen war.
Er ging durch die Arkaden, vorbei an Kunstgalerien und Antiquitätenläden und
Eingängen, durch die man hoch zu Roß hätte reiten können. An der Nydegg Brücke
blieb er stehen und starrte in den Fluß. Soviele Nächte, dachte er. Soviele
Straßen bis hierher. Hesse fiel ihm ein:
Ein orangefarbener Volvo-Kombi mit
Berner Nummernschild kam hinter ihm angefahren und blendete kurz ab. Als Smiley
auf Ihn zuging, öffnete sich die Tür, und unter der Innenbeleuchtung sah er
Toby Esterhase auf dem Fahrersitz und hinten eine streng dreinschauende Dame in
der Uniform einer Berner Hausfrau die ein Kind auf den Knien schaukelte. Er
benützt sie als Tarnung, dachte Smiley, als das, was die Observanten Silhouette
nennen. Sie fuhren wieder an, und die Frau begann auf das Kind einzureden. Ihr
Schweizerdeutsch klang, als regte sie sich dauernd über etwas auf. Schau da,
der Kran, Eduard . . . jetzt fahren wir am Bärengraben vorbei, Eduard . . .
schau, Eduard, eine Tram . . . Observanten können nie genug sehen, erinnerte er
sich; das ist das Schicksal eines jeden Voyeurs. Sie deutete herum, richtete
die Augen des Kindes auf alles.