Читаем Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7) полностью

In den Wochen nach dieser Begegnung und bei all den Schritten, die sich daraus ergaben - verstohlene Besuche in der sowjetischen Botschaft, Ausfüllen von Formularen, Unterzeichnen von Eidesstattlichen Erklärungen, Einholen eines certificat d'héber-gement, mühevolles Durchwandern immer neuer französischer Ministerien -, verfolgte die Ostrakowa ihre eigenen Unternehmungen, als handle es sich um jemand anderen. Sie betete oft, doch ging sie dabei wie zu einer Verschwörung ans Werk, verteilte die Gebete auf mehrere russisch-orthodoxe Kirchen, so daß man sie in keiner von ihnen bei einem ungebührlichen Pietätsaufwand beobachten konnte. Einige dieser Kirchen waren weiter nichts als kleine Privathäuser im 15. und 16. Arrondissement, mit Patriarchenkreuzen aus Sperrholz und mit alten, regengetränkten russischen Anschlägen an den Türen, auf denen billige Unterkunft gegen Klavierunterricht gesucht wurde. Sie ging in die Kirche der Auslandsrussen, in die Kirche zur Erscheinung der Heiligen Jungfrau, in die Kirche des Heiligen Seraphim von Sarow. Sie ging überall hin. Sie klingelte, bis jemand kam, ein Küster oder eine schmalgesichtige Frau in Schwarz; sie gab ihnen Geld und durfte sich dafür in der feuchten Kälte vor kerzenbeleuchtete Ikonen knien, den schweren Weihrauch einatmen, bis sie halb trunken war. Sie tat Gelübde an den Allmächtigen, sie dankte Ihm, bat Ihn um Rat, hätte Ihn um ein Haar gefragt, was Er wohl getan hätte, wenn ein Fremder unter ähnlichen Umständen an Ihn herangetreten wäre, erinnerte Ihn daran, daß so oder so Druck auf sie ausgeübt werde und sie verloren sei, wenn sie nicht gehorche. Zugleich aber meldete sich ihr unverwüstlicher Hausverstand, und sie fragte sich immer wieder, warum gerade sie, die Frau des Verräters Ostrakow, die Geliebte des Dissidenten Glikman, die Mutter einer - so wenigstens gab man ihr zu verstehen - turbulenten und asozialen Tochter, so untypischer Nachsicht teilhaftig werden sollte.

In der sowjetischen Botschaft wurde sie, als sie ihren ersten formellen Antrag stellte, so rücksichtsvoll behandelt, wie sie es sich nie hätte träumen lassen, mit einer Milde, die weder einer Überläuferin und abtrünnigen Spionin, noch der Mutter eines ungebärdigen Teufelsbratens zukam. Sie wurde nicht rauh in ein Wartezimmer verwiesen, sondern in ein Büro gebeten, wo ein junger und zuvorkommender Beamter sie mit westlicher Höflichkeit bedachte und ihr sogar, wenn Feder oder Mut sie im Stich ließen, bei der ordentlichen Formulierung ihres Falles behilflich war.

Und sie sprach mit niemanden darüber, nicht einmal mit ihren nächsten Verwandten - der nächste war ohnehin nicht besonders nah. Die Warnung des Rothaarigen klang ihr Tag und Nacht in den Ohren: Die geringste Indiskretion, und Ihre Tochter kommt nicht frei.

Und an wen, außer an Gott, konnte sie sich schließlich wenden? An ihre Halbschwester Valentina, die in Lyon lebte und mit einem Autohändler verheiratet war? Allein beim Gedanken, daß die Ostrakowa mit einem Beamten des Moskauer Geheimdienstes zusammengekommen war, würde Valentina nach ihren Riechsalzen greifen müssen. In einem bistrot, Maria? Am hellichten Tag, Maria? Ja, Valentina. Und was er gesagt hat, ist wahr. Ich habe eine uneheliche Tochter von einem Juden.

Am meisten setzte ihr die Ereignislosigkeit zu. Wochen vergingen; in der Botschaft hieß es, ihr Antrag werde in »wohlwollende Erwägung« gezogen; die französischen Behörden hätten versichert, daß Alexandra sich rasch um die französische Staatsbürgerschaft werde bewerben können. Der rothaarige Fremde hatte die Ostrakowa überredet, Alexandras Geburt rückzudatieren, so daß das Kind als eine Ostrakowa und nicht als eine Glikman gelten könne; er sagte, die französischen Behörden würden dies akzeptabler finden; und das traf anscheinend zu, obwohl sie damals bei ihren eigenen Einbürgerungsgesprächen nie die Existenz einer Tochter erwähnt hatte. Nun waren plötzlich keine Formulare mehr auszufüllen und keine Hürden mehr zu nehmen, und die Ostrakowa wartete, ohne zu wissen, worauf. Auf das Wiederauftauchen des rothaarigen Fremden? Es gab ihn nicht mehr. Im Konsum eines Schinkenomeletts mit frites, einiger Biere und zweier Stücke knusprigen Brots hatten sich seine existentiellen Bedürfnisse offenbar erschöpft. Sie konnte sich nicht vorstellen, in welcher Beziehung er zur Botschaft stand. Er hatte gesagt, sie solle sich dort einfinden, sie sei bereits angemeldet, was gestimmt hatte. Aber wenn sie auf »Ihren Mitarbeiter« anspielte oder deutlicher auf »Ihren großen blonden Mitarbeiter, der mich an Sie verwiesen hat«, begegnete sie nur lächelndem Unverständnis.

Перейти на страницу:

Похожие книги

100 знаменитых харьковчан
100 знаменитых харьковчан

Дмитрий Багалей и Александр Ахиезер, Николай Барабашов и Василий Каразин, Клавдия Шульженко и Ирина Бугримова, Людмила Гурченко и Любовь Малая, Владимир Крайнев и Антон Макаренко… Что объединяет этих людей — столь разных по роду деятельности, живущих в разные годы и в разных городах? Один факт — они так или иначе связаны с Харьковом.Выстраивать героев этой книги по принципу «кто знаменитее» — просто абсурдно. Главное — они любили и любят свой город и прославили его своими делами. Надеемся, что эти сто биографий помогут читателю почувствовать ритм жизни этого города, узнать больше о его истории, просто понять его. Тем более что в книгу вошли и очерки о харьковчанах, имена которых сейчас на слуху у всех горожан, — об Арсене Авакове, Владимире Шумилкине, Александре Фельдмане. Эти люди создают сегодняшнюю историю Харькова.Как знать, возможно, прочитав эту книгу, кто-то испытает чувство гордости за своих знаменитых земляков и посмотрит на Харьков другими глазами.

Владислав Леонидович Карнацевич

Неотсортированное / Энциклопедии / Словари и Энциклопедии