»Ich hab’s doch gewusst, Reshi«, sagte Bast eindringlich. »Es ist doch gar nicht vorstellbar, dass dich irgend so ein Schlägertyp einfach so überwältigen könnte.«
Kvothe atmete flach ein, dann schnell wieder aus. »Ja, so wird es sein, Bast«, sagte er leichthin. »Wenn ich nicht angeschlagen gewesen wäre, hätte ich es problemlos mit beiden aufgenommen.«
Nun wirkte Bast wieder unsicher. Er wandte sich an den Chronisten. »Wie konntet Ihr das zulassen?«, herrschte er ihn an.
»Es ist nicht seine Schuld, Bast«, sagte Kvothe. »Ich habe mit der Schlägerei angefangen.« Er tastete sich mit zwei Fingern vorsichtig im Mund herum, und als er sie wieder herauszog, waren sie mit Blut benetzt. »Diesen Zahn werde ich wohl verlieren«, murmelte er.
»Du wirst gar keinen Zahn verlieren, Reshi«, sagte Bast mit Entschiedenheit. »Das lasse ich nicht zu.«
Kvothe bewegte die Schultern ein wenig, als versuchte er, die Achseln zu zucken, ohne seinen übrigen Körper dabei mehr als nötig zu bewegen. »Im Großen und Ganzen ist das doch ziemlich egal, Bast.« Er drückte sich den Lappen auf die Kopfhaut und besah ihn sich dann. »Und die Stiche brauche ich wahrscheinlich auch nicht.« Mühsam richtete er sich auf dem Hocker auf. »Komm, lass uns zu Abend essen und dann mit unserer Geschichte fortfahren.« Er sah mit erhobener Augenbraue zu dem Chronisten hinüber. »Natürlich nur, wenn Ihr noch mögt.«
Der Chronist starrte ihn nur an.
»Reshi«, sagte Bast besorgt. »Du siehst schlimm aus.« Er streckte eine Hand aus. »Lass mal deine Augen sehen.«
»Ich hab keine Gehirnerschütterung, Bast«, sagte Kvothe gereizt. »Ich habe vier gebrochene Rippen, Ohrensausen und einen losen Zahn. Außerdem habe ich eine Platzwunde am Kopf, die aber schlimmer aussieht, als sie ist. Mir blutet die Nase, aber sie ist nicht gebrochen, und morgen werde ich von Kopf bis Fuß mit kunterbunten Blutergüssen überzogen sein.«
Kvothe zuckte erneut sehr vorsichtig die Achseln. »Dennoch: Ich habe schon Schlimmeres weggesteckt. Und außerdem hat es mich an etwas erinnert, das ich schon fast vergessen hatte. Dafür sollte ich mich wahrscheinlich bei den beiden bedanken.« Er betastete vorsichtig seinen Unterkiefer und fuhr sich mit der Zunge im Mund herum. »Wenn auch vielleicht nicht allzu herzlich.«
»Reshi, du musst genäht werden«, sagte Bast. »Und du musst mich etwas unternehmen lassen, was diesen Zahn angeht.«
Kvothe stieg vom Hocker. »Ach was, kaue ich halt mal ein paar Tage lang auf der anderen Seite.«
Bast hielt Kvothe am Arm zurück. Seine dunklen Augen blickten streng. »Setz dich hin, Reshi.« Es war alles andere als eine höfliche Bitte. Seine Stimme klang wie fernes Donnergrollen. »Setz. Dich. Hin.«
Kvothe setzte sich.
Der Chronist nickte anerkennend und wandte sich an Bast. »Was kann ich tun, um euch zu helfen?«
»Mir aus dem Weg gehen«, erwiderte Bast schroff. »Und ihn auf dem Hocker halten, bis ich wiederkomme.« Er lief die Treppe hinauf.
Einen Moment lang herrschte Schweigen.
»Also«, sagte der Chronist. »Der Konjunktiv.«
»Ist bestenfalls etwas Sinnloses«, sagte Kvothe. »Er kompliziert die Sprache unnötig. Er geht mir einfach gegen den Strich.«
»Also bitte«, erwiderte der Chronist und klang ein wenig gekränkt. »Der Konjunktiv ist das Herz allen hypothetischen Denkens. Bei kundigem Gebrauch …« Er verstummte, denn Bast kam wieder in den Schankraum gestürmt, finster dreinblickend und mit einem kleinen Holzkistchen in den Händen.
»Bringt mir Wasser«, sagte Bast in gebieterischem Ton zu dem Chronisten. »Frisch aus dem Regenfass, nicht aus der Pumpe. Außerdem brauche ich Milch aus der Kühlkiste, etwas angewärmten Honig und eine breite Schüssel. Und dann räumt diesen Saustall auf und bleibt mir aus dem Weg.«
Bast säuberte die Platzwunde in Kvothes Kopfhaut, fädelte sodann ein Haar von sich selbst auf eine Knochennadel und nähte die Wunde mit vier Stichen, geschickter als eine Näherin.
»Mund auf«, sagte Bast, spähte hinein, betastete stirnrunzelnd einen Backenzahn und nickte.
Dann hielt er Kvothe das Glas Wasser hin. »Spül dir den Mund aus, Reshi. Mach das ein paar Mal und spuck das Wasser wieder ins Glas zurück.«
Kvothe folgte der Anweisung, und anschließend war das Wasser weinrot.
Der Chronist kam mit einer Flasche Milch wieder. Bast roch kurz daran und goss dann etwas davon in eine breite Keramikschüssel. Er gab einen Klacks Honig hinein und verrührte ihn. Schließlich tunkte er eine Fingerspitze in das mit Blut getränkte Wasser und ließ einen Tropfen davon in die Keramikschüssel fallen.
Bast rührte erneut um und reichte Kvothe die Schüssel. »Nimm den ganzen Mund voll davon«, sagte er. »Nicht hinunterschlucken. Behalte es im Mund, solange ich es dir sage.«
Mit neugierigem Blick setzte Kvothe die Schüssel an und füllte sich den Mund mit Milch.
Bast nahm ebenfalls den Mund voll Milch. Er schloss einen ganzen Moment lang die Augen, und sein Gesicht wirkte aufs Höchste konzentriert. Dann schlug er die Augen wieder auf, hielt Kvothe die Schüssel unter den Mund und zeigte hinein.