Er war froh über Gabrielles mitfühlende Geste und ihren vernünftigen Ratschlag. Sie sprach immerhin aus Erfahrung. Die Frau war von Lucan erst vor ein paar Monaten mit ihrer eigenen erstaunlichen Wahrheit konfrontiert worden. Obwohl das Paar seitdem unzertrennlich und eindeutig verliebt war, war Lucans und Gabrielles Weg alles andere als leicht gewesen. Keiner der Krieger kannte die Einzelheiten, aber Dante konnte sich vorstellen, dass Lucan mit seinem starren, unzugänglichen Naturell es für beide nicht einfacher gemacht hatte.
Savannah stellte sich neben ihn ans Bett. „Wenn du ihre Wunden gereinigt hast, trag etwas von dieser Salbe auf. Zusammen mit deinem Blut in ihrem Körper wird das helfen, die Heilung zu beschleunigen und die Narben zu lindern.“
„In Ordnung.“ Dante nahm das Gefäß mit dem selbst gemachten Heilmittel und stellte es auf den Nachttisch. „Ich danke dir. Ich danke euch beiden.“
Die Frauen schenkten ihm ein verstehendes Lächeln, dann bückte sich Savannah, um Tess’ verschmutzte Kleidung aufzuheben.
„Ich glaube kaum, dass ihr diese Sachen im Moment von Nutzen sind.“ Sobald sich ihre Finger um die Kleidung schlossen, verzerrte sich Savannahs sanftes Gesicht. Sie zuckte zusammen und schloss gequält die Augen. Kurz hielt sie den Atem an, dann ließ sie ihn mit einem zittrigen Seufzen entweichen. „Himmel, das arme Ding. Der Angriff auf sie war dermaßen … grausam. Wusstest du, dass sie sie beinah ausgeblutet hätten?“
Dante neigte den Kopf. „Ich weiß.“
„Sie war schon fast tot, und dann kamst du und hast … nun gut, du hast sie gerettet, und das ist alles, was zählt.“ Savannah schlug einen heiter-gelassenen Ton an, der allerdings das Unbehagen nicht vollständig überdecken konnte, das sie beim Lesen der grausamen Einzelheiten des Kampfes durchdrungen hatte. „Wenn du irgendetwas brauchst, Dante, frag einfach. Gabrielle und ich helfen gern, so gut wir können.“
Er nickte und machte sich wieder daran, die Wunden von Tess mit dem feuchten Lappen zu reinigen. Er hörte, wie die Frauen das Zimmer verließen, dann wurde der Raum um ihn herum sehr still unter dem Gewicht seiner Gedanken. Er wusste nicht genau, wie lange er an Tess’ Seite auszuharren hatte – bestimmt einige Stunden. Er wusch sie zu Ende und trocknete sie ab, dann legte er sich neben sie ins Bett, um ihren Schlaf zu bewachen und darauf zu hoffen, dass sie bald ihre wunderschönen Augen für ihn aufschlug.
Hundert Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als er so da lag, hundert Versprechen, die er ihr machen wollte. Er wollte, dass sie immer in Sicherheit war, immer glücklich. Er wollte, dass sie ewig lebte. Mit ihm. Wenn sie ihn wollte. Oder ohne ihn, wenn das der einzige Weg war. Er würde auf sie aufpassen, solange er dazu imstande war. Und er würde gewährleisten, dass sie für immer einen Platz inmitten des Stammes hatte, falls – oder besser gesagt, wenn – der Tod, der ihm auf Schritt und Tritt folgte, ihn schließlich einholte.
Himmel, dachte er etwa über die Zukunft nach?
Machte Pläne für die Zukunft?
Nachdem er sein ganzes Leben so verbracht hatte, als gäbe es kein Morgen, schien es äußerst befremdlich, dass es nur einer Frau bedurfte, um seine ganze fatalistische Haltung über Bord gehen zu lassen. Er glaubte nach wie vor, dass der Tod an der nächsten Ecke lauerte – wusste es mit derselben Klarheit, mit der seine Mutter ihren Tod und den ihres Gefährten vorhergesehen hatte. Aber diese außergewöhnliche Frau ließ ihn verdammt noch mal hoffen, dass er sich vielleicht irrte.
Tess weckte in ihm den Wunsch, dass sie alle Zeit der Welt hätten, solange er jede Sekunde davon mit ihr verbringen konnte.
Sie sollte bald aufwachen. Es musste ihr besser gehen, damit er mit ihr ins Reine kommen konnte. Sie musste wissen, wie er fühlte, was sie ihm bedeutete – und was er ihr angetan hatte, als er sie beide durch ihr Blut miteinander verband.
Wie lange würde es dauern, bis sein Blut von ihrem Körper verinnerlicht wurde und die Verjüngung einsetzte? Wie viel würde sie benötigen? Auf der Fahrt zum Anwesen hatte sie lediglich eine kleine Menge erhalten, nur die paar dürftigen Tropfen, die er in ihren Mund und auf ihre Zunge bringen konnte. Vielleicht brauchte sie mehr.
Er nahm den Dolch vom Nachttisch, brachte seinem Handgelenk einen frischen Schnitt bei und presste die Blutung auf Tess’ Lippen. Er wartete, ob sie darauf ansprach, und wollte den Himmel verfluchen, als ihr Mund geschlossen blieb und sein Blut nutzlos über ihr Kinn rann.
„Komm schon, mein Engel. Trink für mich.“ Er streichelte ihre kalten Wangen und pustete zärtlich eine Strähne der honigblonden Haare aus ihrer Stirn. „Bitte lebe, Tess … trink und lebe.“
Ein verlegenes Räuspern erklang aus der Richtung des Türrahmens. „Tut mir leid, die … ähem … die Tür war offen.“