Hitze strahlte von der Stelle aus, an der er gestochen worden war, brannte sich durch seinen Körper wie Säure. Ein bitterer Geschmack sammelte sich hinten in seinem Gaumen, und dann verschwamm ihm alles vor den Augen. Dante versuchte, sich vom Boden aufzurichten, aber dann sank er wieder zusammen, seine Glieder so unkooperativ, als wären sie plötzlich aus Blei.
Keuchend, die hellen blaugrünen Augen voller Panik, betrachtete ihn sein rettender Engel, ihr hübsches Gesicht flimmerte ihm wild vor den Augen. Sie presste eine schlanke Hand an den Hals, dort, wo er sie gebissen hatte. Die andere hielt sie auf Schulterhöhe, und darin, die Knöchel vor Anspannung weiß, umklammerte sie eine leere Einwegspritze.
Himmel.
Sie hatte ihn betäubt.
Aber so schlimm das auch war, Dante registrierte etwas noch Schlimmeres, als sein immer mehr verschwimmender Blick versuchte, sich auf die kleine Hand zu konzentrieren, die es geschafft hatte, ihn mit einem Schlag niederzustrecken. Dort, wo die weiche Haut sich zwischen Daumen und Zeigefinger spannte, hatte die junge Frau ein kleines Muttermal.
Von tiefem, dunklem Purpurrot, kleiner als ein Zehncentstück, in der Form einer Träne, die in die Wiege eines zunehmenden Mondes fiel. Ein Anblick, der sich tief in Dantes Gehirn einbrannte.
Es war ein seltenes Muttermal, ein genetischer Stempel, der bedeutete, dass die Trägerin Dantes Rasse heilig war.
Sie war eine Stammesgefährtin.
Und mit ihrem Blut, das jetzt in Dante pulsierte, hatte Dante nun eine Hälfte eines feierlichen Bundes geschlossen.
Nach dem Recht der Vampire gehörte sie nun zu ihm.
Unwiderruflich.
Für immer und ewig.
Das Letzte, was er wollte oder brauchte.
Dante brüllte innerlich auf. Aber alles, was davon zu hören war, war nur ein tiefes, wortloses Knurren. Er zwinkerte stumpf, versuchte nach der jungen Frau zu greifen und verfehlte sie um gut zwanzig Zentimeter. Schwer fiel sein Arm herab, als wäre er mit eisernen Gewichten beschwert. Auch seine Augenlider waren zu schwer, um sie mehr als spaltweit offenzuhalten. Er stöhnte und sah zu, wie die Züge seiner Retterin vor seinen Augen verschwammen.
Sie starrte auf ihn hinunter, ihre Stimme bebte vor unterdrückter Wut.
„Träum süß, du psychotisches Arschloch!“
Tess trat von ihrem Angreifer zurück, ihr Atem ging schwer und heftig. Sie konnte kaum glauben, was da eben mit ihr geschehen war. Und dass sie es geschafft hatte, dem wahnsinnigen Eindringling zu entkommen.
Dem Herrn sei Dank für die Betäubungsspritze, dachte sie, erleichtert, dass sie die Geistesgegenwart besessen hatte, sich an den Inhalt ihrer Kitteltasche zu erinnern. Ganz zu schweigen von der Kaltblütigkeit, diese Waffe auch wirklich einzusetzen. Sie sah den leergedrückten Plastikkolben an, den ihre Finger immer noch krampfhaft umklammerten, und verzog das Gesicht.
Mist. Sie hatte ihm die volle Dosis verpasst.
Kein Wunder, dass er so schnell zusammengeklappt war. So schnell würde der auch nicht wieder aufwachen. Tausendachthundert Milligramm Tiernarkotika waren selbst für einen Riesenkerl wie ihn ein Gutenachtkuss, der es in sich hatte.
Plötzlich spürte sie einen Anflug von Sorge.
Was, wenn sie ihn umgebracht hatte?
Eigentlich war ihr nicht klar, warum sie sich Sorgen machen sollte wegen jemandem, der ihr noch vor wenigen Minuten den Hals mit den Zähnen aufreißen wollte. Und trotzdem näherte sie sich ihm wieder vorsichtig.
Er bewegte sich nicht.
Aber sie stellte mit Erleichterung fest, dass er noch atmete.
Er lag auf dem Rücken, die muskulösen Arme ausgestreckt, so wie sie niedergesunken waren. Seine Hände – diese riesigen Pranken, die bei seinem Angriff mit solch brutaler Stärke zugepackt und festgehalten hatten – waren nun schlaff und ruhig. Sein Gesicht, fast verdeckt von seinem länglichen dunklen Haar, war nun, da es entspannt war, fast gut aussehend zu nennen.
Nein, er war nicht gut aussehend, denn sogar jetzt, wo er bewusstlos war, blieben seine Züge hager und kantig. Gerade schwarze Augenbrauen lagen über seinen geschlossenen Augen wie dunkle Messerschnitte. Seine Wangenknochen waren scharf gewinkelt und gaben seinem Gesicht ein raubtierhaftes Aussehen. Seine Nase war vielleicht einmal perfekt gewesen, aber von einem alten Bruch war der schmale Nasenrücken leicht abgeknickt.
Vielleicht mehr als einem Bruch.
Er hatte etwas seltsam Anziehendes an sich, obwohl sie ganz sicher war, dass sie ihn nicht kannte. Er war nicht direkt der Typ Mann, mit dem sie sonst Umgang pflegte, und der Gedanke, dass er mit einem Haustier zu ihr in die Klinik kommen könnte, hatte etwas Absurdes.
Nein, vor heute Nacht hatte sie ihn noch nie in ihrem Leben gesehen. Sie konnte nur beten, dass sie ihn auch nie wieder sehen würde, wenn erst einmal die Polizei gekommen war und ihn mitgenommen hatte.