Читаем 0701759001361827618 adrian lara - midnight breed 02 полностью

Tess sah der älteren Frau zu, wie sie mit aufgesprungenen, arthritischen Händen umständlich ihr Scheckbuch zückte. Sie wusste, Mrs. Corelli war schon eine Weile im Rentenalter, trotzdem arbeitete sie immer noch fünf Tage die Woche als Putzfrau. Es war harte Arbeit, die schlecht bezahlt wurde, aber seit die Invalidenrente ihres Mannes vor ein paar Jahren ausgelaufen war, war Mrs. Corelli diejenige, die ihre Familie durchbringen musste. Immer, wenn Tess in Versuchung kam, wegen ihrer finanziellen Lage zu verzweifeln, dachte sie an diese Frau und mit wie viel Würde sie sich durchs Leben schlug.

„Wir haben gerade eine spezielle Rabattaktion, Mrs. Corelli. Deshalb kostet es Sie heute nur zwanzig Dollar.“

„Sind Sie sicher, meine Liebe?“ Als Tess bestätigend nickte, zahlte die Frau die Gebühr, klemmte sich den Transportkorb unter den Arm und ging auf den Ausgang zu.

„Danke, Dr. Tess.“

„Gern geschehen.“

Als sich die Tür hinter ihrem Patienten schloss, warf Tess einen Blick auf die Uhr an der Wand des Wartezimmers. Erst kurz nach vier. Der Tag wollte und wollte nicht vergehen, kein Wunder nach der seltsamen Nacht, die sie hinter sich hatte. Sie hatte schon daran gedacht, alle Termine abzusagen und zu Hause zu bleiben, aber dann hatte sie sich zusammengerissen und doch den ganzen Tag durchgearbeitet. Nur noch ein Termin, dann konnte sie die Klinik für heute zumachen.

Obwohl sie eigentlich keine Ahnung hatte, was sie nach Hause in ihre leere Wohnung trieb. Sie fühlte sich nervös und erschöpft, ihr ganzer Körper summte von einer seltsamen Unruhe.

„Du hast eine Nachricht von Ben“, verkündete Nora, als sie aus dem Behandlungsraum kam, in dem sie die Fellpflege von Hunden durchführten. „Auf einem Klebezettel beim Telefon. Irgendwas von so einem noblen Kunstevent morgen Abend? Er sagte, vor ein paar Wochen hast du mal erwähnt, dass du mit ihm dorthin willst, aber er wollte sichergehen, dass du’s nicht vergessen hast.“

„Oh, Mist. Die Ausstellungseröffnung im Museum der schönen Künste ist schon morgen Abend?“

Nora warf ihr einen trockenen Blick zu. „Scheint, als hättest du es tatsächlich vergessen. Es klingt jedenfalls nach einem tollen Abend. Ach, und deine Vierundzwanzig-Stunden-Impfung hat eben angerufen und abgesagt. Eins der Mädels beim Schnellimbiss hat sich krankgemeldet, darum arbeitet sie jetzt zwei Schichten hintereinander. Sie wollte einen neuen Termin für nächste Woche.“

Tess fasste ihr langes Haar im Nacken zusammen und massierte die angespannten Muskeln am Schädelansatz. „Das geht klar. Rufst du sie für mich zurück und machst den neuen Termin mit ihr?“

„Hab ich doch schon gemacht. Geht’s dir gut?“

„Ja. War gestern nur eine lange Nacht, das ist alles.“

„Davon hab ich schon gehört. Ben hat mir erzählt, was passiert ist. Bist wieder am Schreibtisch eingepennt, was?“ Nora lachte und schüttelte den Kopf. „Und Ben hat sich Sorgen gemacht und die Cops gerufen, um nach dir zu sehen? Bin ich froh, dass er mit denen keine ernsten Probleme bekommen hat wegen dieser streunenden Katze, die er da aufgesammelt hat.“

„Ich auch.“

Als er sie zu Hause absetzte, hatte Ben ihr versprochen, auf dem Rückweg sofort Shiva von der Klinik abzuholen und das Tier seinen Eigentümern zurückzubringen, wie die Polizei ihm befohlen hatte. Dass ein erneuter Rettungsversuch nicht infrage kam, wollte er ihr allerdings nicht versprechen. Nicht zum ersten Mal fragte sich Tess, ob sein hartnäckiger Pflichteifer, so gut seine Absichten auch waren, ihm nicht eines Tages zum Verhängnis werden würde.

„Weißt du“, sagte sie zu ihrer Assistentin, „ich verstehe immer noch nicht, wie ich aus Versehen im Schlaf mit der Kurzwahltaste ausgerechnet seine Nummer wählen konnte …“

„Hm. Vielleicht wolltest du ihn unbewusst anrufen. Hey, das sollte ich eines Abends vielleicht auch mal ausprobieren. Meinst du, er kommt auch gleich angedüst, um mich zu retten?“ Als Tess die Augen verdrehte, hob Nora abwehrend die Hände. „Ich sag ja nur! Er scheint einfach ein klasse Typ zu sein. Gut aussehend, klug, charmant – und, nicht zu vergessen, er ist komplett verrückt nach dir. Ich weiß nicht, warum du ihm keine Chance gibst.“

Tess hatte ihm eine Chance gegeben. Mehr als eine, um genau zu sein. Und obwohl die Probleme, die sie mit ihm gehabt hatte, längst der Vergangenheit angehörten – das hatte er ihr immer wieder geschworen –, hatte sie bei dem Gedanken, dass zwischen ihnen wieder mehr sein könnte als Freundschaft, ein ungutes Gefühl. Eigentlich kam sie immer mehr zu dem Schluss, dass sie für dieses ganze Beziehungsding einfach nicht gemacht war, mit niemandem.

„Ben ist ein netter Kerl“, sagte sie schließlich, zog den Haftzettel mit seiner Nachricht ab und stopfte ihn in die Tasche der Khakihose, die sie unter dem langen, weißen Laborkittel trug. „Aber nicht jeder ist so, wie er scheint.“

Tess stempelte Mrs. Corellis Scheck, den letzten Geldeingang des Tages, für die Bank ab und machte sich daran, einen Einzahlungsschein auszufüllen.

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