Er schaltete die Scheinwerfer aus und parkte den Porsche ein Stück weiter an der Straße, in der das Gebäude stand, das sie beobachten würden. Eine Brise kam auf und schickte einen Schwung welker Blätter und Straßenstaub über die Kühlerhaube. Als sie sich legte, fuhr Dante das Fenster herunter, ließ die Kühle hereinströmen und atmete tief ein, füllte seine Lunge mit der kühlen, herbstlichen Luft.
Etwas Würzig-Süßes kitzelte seine Nase und weckte jede einzelne Zelle seines Körpers auf. Der Duft war fern und schwer fassbar, nichts, was von Menschen oder Vampiren hergestellt sein konnte. Er war düster und warm, wie Zimt und Vanille, obwohl sich so nur ein Bruchteil seines Zaubers beschreiben ließ. Der Duft war exquisit und absolut einzigartig.
Dante erkannte ihn sofort. Er gehörte zu der jungen Frau, von der er sich genährt hatte – der Stammesgefährtin, die er sich vor weniger als vierundzwanzig Stunden so sorglos zu eigen gemacht hatte.
Dante öffnete die Tür und stieg aus.
„Was machen wir jetzt?“
„Sie bleiben hier“, instruierte er Chase. Er fühlte sich mit unwiderstehlicher Kraft zu ihr hingezogen, schon bewegten sich seine Füße auf dem Asphalt in die Richtung, aus der ihr Duft kam.
„Was ist los?“ Der Agent zog seine Waffe und schickte sich an, aus dem Porsche zu steigen, als habe er vor, Dante auf Schritt und Tritt zu folgen. „Sagen Sie mir, was los ist, verdammt noch mal. Sehen Sie was da draußen?“
„Sie bleiben im Auto, Harvard. Und lassen Sie das Gebäude nicht aus den Augen. Ich muss etwas überprüfen.“
Dante glaubte nicht, dass an ihrem Posten in den nächsten paar Minuten etwas passieren würde, aber auch wenn dem so war, es war ihm egal. Alles, was ihn jetzt beschäftigte, war dieser Duft im Nachtwind, der ihm sagte, dass die junge Frau ganz in der Nähe war.
Dante verfolgte sie wie ein Raubtier seine Beute. Wie bei allen Angehörigen des Stammes waren seine Sinne überdurchschnittlich entwickelt. Zudem verfügte er über die Fähigkeit, sich mit übernatürlicher Geschwindigkeit zu bewegen, und er besaß die Beweglichkeit und Gelenkigkeit eines Tieres. Wenn sie es wollten, konnten sich Vampire unbemerkt unter den Menschen bewegen. Während sie an ihnen vorbeistrichen, nahmen die Menschen sie nur als kühlen Luftzug im Nacken wahr. Dante nutzte diese Fähigkeit nun, um sich durch bevölkerte Straßen und Gassen zu navigieren, all seine Sinne fest auf seine Beute gerichtet.
Er bog um eine Ecke auf eine geschäftige Hauptstraße, und da war sie, direkt vor ihm auf der anderen Straßenseite.
Sofort blieb Dante stehen und beobachtete Tess, wie sie an einem hell erleuchteten Straßenstand einkaufte, sorgfältig frischen Salat und Gemüse auswählte. Sie ließ einen gelben Kürbis in ihre leinene Einkaufstasche fallen, dann stöberte sie in einem Obstkorb und hob eine blasse Honigmelone an die Nase, um ihren Reifegrad zu prüfen.
Er dachte an den Moment zurück, als er sie in ihrer Klinik zum ersten Mal gesehen hatte. Selbst durch den Nebel seiner Verletzungen hindurch hatte er erkannt, dass sie schön war. Aber heute Nacht, im Schein der kleinen Lichterkette, die die Obst- und Gemüsekisten beleuchtete, sah sie geradezu betörend aus. Ihre Wangen waren leicht gerötet, ihre blaugrünen Augen strahlten, als sie der alten Standbesitzerin zulächelte und die Qualität ihrer Ware lobte.
Dante blieb auf seiner Straßenseite und hielt sich im Schatten. Er konnte die Augen nicht von ihr lassen. Hier, fast in ihrer unmittelbaren Nähe, war ihr Duft üppig und berauschend. Er atmete ihn durch den Mund ein, zog seine würzige Süße durch die Zähne, genoss, wie sie seine Zunge umspielte.
O Gott, er wollte sie wieder schmecken.
Er wollte von ihr trinken.
Er wollte sie nehmen.
Bevor er wusste, was er tat, trat Dante vom Gehsteig auf die Straße. Jetzt hätte er nur noch eine halbe Sekunde gebraucht, um neben ihr zu stehen, aber da bemerkte er etwas Seltsames.
Er war nicht der einzige Mann, der Tess mit offenkundigem Interesse beobachtete.
Nur ein paar Häuser weiter stand ein Mensch im Schutz eines Gebäudeeingangs und spähte um die Ecke zum Gemüsestand hinüber, offenbar wollte er Tess unbemerkt bei ihren Einkäufen zusehen. Groß und schlank, vom Typ gut aussehender College-Student, wirkte er eigentlich nicht wie ein Spanner oder Triebtäter. Aber auch Ted Bundy hatte nicht so ausgesehen.
Tess bezahlte ihre Einkäufe und wünschte der alten Frau einen schönen Abend. Im selben Moment, als sie sich von dem hell erleuchteten Gemüsestand entfernte, kam der Mann vorsichtig aus seinem Versteck hervor.
Bei dem Gedanken, dass Tess etwas zustoßen könnte, schäumte Dante vor Wut. In nur einem Sekundenbruchteil war er auf der anderen Straßenseite und heftete sich Tess’ Verfolger an die Fersen. Wenn der Kerl Tess auch nur mit seinem Atem streifte, würde er ihm verdammt noch mal die Arme abreißen.
„Hey, Doc“, rief der Mann, Vertrautheit in der Stimme, „späte Einkäufe?“