»Bin ich nicht Steuermann?« rief ich. »du?« fragte ein dunkler hoch gewachsener Mann und strich sich mit der Hand "uber die Augen, als verscheuche er einen Traum. Ich war am Steuer gestanden in der dunklen Nacht, die schwachbrennende Laterne "uber meinem Kopf, und nun war dieser Mann gekommen und wollte mich beiseiteschieben. Und da ich nicht wich, setzte er mir den Fuss auf die Brust und trat mich langsam nieder, w"ahrend ich noch immer an den St"aben des Steuerrades hing und beim Niederfallen es ganz herumriss. Da aber fasste es der Mann, brachte es in Ordnung, mich aber stiess er weg. Doch ich besann mich bald, lief zu der Luke, die in den Mannschaftsraum f"uhrte und rief: »Mannschaft! Kameraden! Kommt schnell! Ein Fremder hat mich vom Steuer vertrieben!« Langsam kamen sie, stiegen auf aus der Schiffstreppe, schwankende m"ude m"achtige Gestalten. »Bin ich der Steuermann?« fragte ich. Sie nickten, aber Blicke hatten sie nur f"ur den Fremden, im Halbkreis standen sie um ihn herum und, als er befehlend sagte: »St"ort mich nicht«, sammelten sie sich, nickten mir zu und zogen wieder die Schiffstreppe hinab. Was ist das f"ur Volk! Denken sie auch oder schlurfen sie nur sinnlos "uber die Erde?
25. DER KREISEL
Ein Philosoph trieb sich immer dort herum, wo Kinder spielten. Und sah er einen Jungen, der einen Kreisel hatte, so lauerte er schon. Kaum war der Kreisel in Drehung, verfolgte ihn der Philosoph, um ihn zu fangen. Dass die Kinder l"armten und ihn von ihrem Spielzeug abzuhalten suchten, k"ummerte ihn nicht, hatte er den Kreisel, solange er sich noch drehte, gefangen, war er gl"ucklich, aber nur einen Augenblick, dann warf er ihn zu Boden und ging fort. Er glaubte n"amlich, die Erkenntnis jeder Kleinigkeit, also zum Beispiel auch eines sich drehenden Kreisels, gen"uge zur Erkenntnis des Allgemeinen. Darum besch"aftigte er sich nicht mit den grossen Problemen, das schien ihm un"okonomisch. War die kleinste Kleinigkeit wirklich erkannt, dann war alles erkannt, deshalb besch"aftigte er sich nur mit dem sich drehenden Kreisel. Und immer wenn die Vorbereitungen zum Drehen des Kreisels gemacht wurden, hatte er Hoffnung, nun werde es gelingen, und drehte sich der Kreisel, wurde ihm im atemlosen Laufen nach ihm die Hoffnung zur Gewissheit, hielt er aber dann das dumme Holzst"uck in der Hand, wurde ihm "ubel und das Geschrei der Kinder, das er bisher nicht geh"ort hatte und das ihm jetzt pl"otzlich in die Ohren fuhr, jagte ihn fort, er taumelte wie ein Kreisel unter einer ungeschickten Peitsche.
26. KLEINE FABEL
»Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war gl"ucklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.« – »Du musst nur die Laufrichtung "andern«, sagte die Katze und frass sie.
27. DER AUFBRUCH
Ich befahl mein Pferd aus dem Stall zu holen. Der Diener verstand mich nicht. Ich ging selbst in den Stall, sattelte mein Pferd und bestieg es. In der Ferne h"orte ich eine Trompete blasen, ich fragte ihn, was das bedeutete. Er wusste nichts und hatte nichts geh"ort. Beim Tore hielt er mich auf und fragte: »Wohin reitet der Herr?« »Ich weiss es nicht«, sagte ich, »nur weg von hier, nur weg von hier. Immerfort weg von hier, nur so kann ich mein Ziel erreichen.« »Du kennst also dein Ziel«, fragte er. »Ja«, antwortete ich, »ich sagte es doch: ›Weg-von-hier‹ – das ist mein Ziel.« »Du hast keinen Essvorrat mit«, sagte er. »Ich brauche keinen«, sagte ich, »die Reise ist so lang, dass ich verhungern muss, wenn ich auf dem Weg nichts bekomme. Kein Essvorrat kann mich retten. Es ist ja zum Gl"uck eine wahrhaft ungeheure Reise.«
28. F"URSPRECHER