"Meinem Freunde doch", sagte Georg und suchte des Vaters Augen. – "Im Gesch"aft ist er doch ganz anders", dachte er, "wie er hier breit sitzt und die Arme "uber der Brust kreuzt. "
"Ja. Deinem Freunde", sagte der Vater mit Betonung.
"Du weisst doch, Vater, dass ich ihm meine Verlobung zuerst verschweigen wollte. Aus R"ucksichtnahme, aus keinem anderen Grunde sonst. Du weisst selbst, er ist ein schwieriger Mensch. Ich sagte mir, von anderer Seite kann er von meiner Verlobung wohl erfahren, wenn das auch bei seiner einsamen Lebensweise kaum wahrscheinlich ist – das kann ich nicht hindern –, aber von mir selbst soll er es nun einmal nicht erfahren. "
"Und jetzt hast du es dir wieder anders "uberlegt?" fragte der Vater, legte die grosse Zeitung auf den Fensterbord und auf die Zeitung die Brille, die er mit der Hand bedeckte.
"Ja, jetzt habe ich es mir wieder "uberlegt. Wenn er mein guter Freund ist, sagte ich mir, dann ist meine gl"uckliche Verlobung auch f"ur ihn ein Gl"uck. Und deshalb habe ich nicht mehr gez"ogert, es ihm anzuzeigen. Ehe ich jedoch den Brief einwarf, wollte ich es dir sagen. "
"Georg", sagte der Vater und zog den zahnlosen Mund in die Breite, "h"or’ einmal! Du bist wegen dieser Sache zu mir gekommen, um dich mit mir zu beraten. Das ehrt dich ohne Zweifel. Aber es ist nichts, es ist "arger als nichts, wenn du mir jetzt nicht die volle Wahrheit sagst. Ich will nicht Dinge aufr"uhren, die nicht hierher geh"oren. Seit dem Tode unserer teueren Mutter sind gewisse unsch"one Dinge vorgegangen. Vielleicht kommt auch f"ur sie die Zeit und vielleicht kommt sie fr"uher, als wir denken. Im Gesch"aft entgeht mir manches, es wird mir vielleicht nicht verborgen – ich will jetzt gar nicht die Annahme machen, dass es mir verborgen wird –, ich bin nicht mehr kr"aftig genug, mein Ged"achtnis l"asst nach. Ich habe nicht mehr den Blick f"ur alle die vielen Sachen. Das ist erstens der Ablauf der Natur, und zweitens hat mich der Tod unseres M"utterchens viel mehr niedergeschlagen als dich. – Aber weil wir gerade bei dieser Sache sind, bei diesem Brief, so bitte ich dich Georg, t"ausche mich nicht. Es ist eine Kleinigkeit, es ist nicht des Atems wert, also t"ausche mich nicht. Hast du wirklich diesen Freund in Petersburg?"
Georg stand verlegen auf. "Lassen wir meine Freunde sein. Tausend Freunde ersetzen mir nicht meinen Vater. Weisst du, was ich glaube? Du schonst dich nicht genug. Aber das Alter verlangt seine Rechte. Du bist mir im Gesch"aft unentbehrlich, das weisst du ja sehr genau; aber wenn das Gesch"aft deine Gesundheit bedrohen sollte, sperre ich es noch morgen f"ur immer. Das geht nicht. Wir m"ussen da eine andere Lebensweise f"ur dich einf"uhren. Aber von Grund aus. Du sitzt hier im Dunkel, und im Wohnzimmer h"attest du sch"ones Licht. Du nippst vom Fr"uhst"uck, statt dich ordentlich zu st"arken. Du sitzt bei geschlossenem Fenster, und die Luft w"urde dir so gut tun. Nein Vater! Ich werde den Arzt holen und seine Vorschriften werden wir befolgen. Die Zimmer werden wir wechseln, du wirst ins Vorderzimmer ziehen, ich hierher. Es wird keine Ver"anderung f"ur dich sein, alles wird mit hin"ubergetragen. Aber das alles hat Zeit, jetzt lege dich noch ein wenig ins Bett, du brauchst unbedingt Ruhe. Komm, ich werde dir beim Ausziehn helfen, du wirst sehen, ich kann es. Oder willst du gleich ins Vorderzimmer gehn, dann legst du dich vorl"aufig in mein Bett. Das w"are "ubrigens sehr vern"unftig. "
Georg stand knapp neben seinem Vater, der den Kopf mit dem struppigen weissen Haar auf die Brust hatte sinken lassen.
"Georg", sagte der Vater leise, ohne Bewegung.
Georg kniete sofort neben dem Vater nieder, er sah die Pupillen in dem m"uden Gesicht des Vaters "ubergross in den Winkeln der Augen auf sich gerichtet.
"Du hast keinen Freund in Petersburg. Du bist immer ein Spassmacher gewesen und hast dich auch mir gegen"uber nicht zur"uckgehalten. Wie solltest du denn gerade dort einen Freund haben! Das kann ich gar nicht glauben. "