Georg stand in einem Winkel, m"oglichst weit vom Vater. Vor einer langen Weile hatte er sich fest entschlossen, alles vollkommen genau zu beobachten, damit er nicht irgendwie auf Umwegen, von hinten her, von oben herab "uberrascht werden k"onne. Jetzt erinnerte er sich wieder an den l"angst vergessenen Entschluss und vergass ihn, wie man einen kurzen Faden durch ein Nadel"ohr zieht.
"Aber der Freund ist nun doch nicht verraten! " rief der Vater, und sein hin- und herbewegter Zeigefinger bekr"aftigte es. "Ich war sein Vertreter hier am Ort. "
"Kom"odiant! " konnte sich Georg zu rufen nicht enthalten, erkannte sofort den Schaden und biss, nur zu sp"at, – die Augen erstarrt – in seine Zunge, dass er vor Schmerz einknickte.
"Ja, freilich habe ich Kom"odie gespielt! Kom"odie! Gutes Wort! Welcher andere Trost blieb dem alten verwitweten Vater? Sag – und f"ur den Augenblick der Antwort sei du noch mein lebender Sohn –, was blieb mir "ubrig, in meinem Hinterzimmer, verfolgt vom ungetreuen Personal, alt bis in die Knochen? Und mein Sohn ging im Jubel durch die Welt, schloss Gesch"afte ab, die ich vorbereitet hatte, "uberpurzelte sich vor Vergn"ugen und ging vor seinem Vater mit dem verschlossenen Gesicht eines Ehrenmannes davon! Glaubst du, ich h"atte dich nicht geliebt, ich, von dem du ausgingst?"
"Jetzt wird er sich vorbeugen", dachte Georg, "wenn er fiele und zerschmetterte!" Dieses Wort durchzischte seinen Kopf.
Der Vater beugte sich vor, fiel aber nicht. Da Georg sich nicht n"aherte, wie er erwartet hatte, erhob er sich wieder.
"Bleib, wo du bist, ich brauche dich nicht! Du denkst, du hast noch die Kraft, hierher zu kommen und h"altst dich bloss zur"uck, weil du so willst. Dass du dich nicht irrst! Ich bin noch immer der viel St"arkere. Allein h"atte ich vielleicht zur"uckweichen m"ussen, aber so hat mir die Mutter ihre Kraft abgegeben, mit deinem Freund habe ich mich herrlich verbunden, deine Kundschaft habe ich hier in der Tasche! "
"Sogar im Hemd hat er Taschen!" sagte sich Georg und glaubte, er k"onne ihn mit dieser Bemerkung in der ganzen Welt unm"oglich machen. Nur einen Augenblick dachte er das, denn immerfort vergass er alles.
"H"ang dich nur in deine Braut ein und komm mir entgegen! Ich fege sie dir von der Seite weg, du weisst nicht wie! "
Georg machte Grimassen, als glaube er das nicht. Der Vater nickte bloss, die Wahrheit dessen beteuernd, was er sagte, in Georgs Ecke hin.
"Wie hast du mich doch heute unterhalten, als du kamst und fragtest, ob du deinem Freund von der Verlobung schreiben sollst. Er weiss doch alles, dummer Junge, er weiss doch alles! Ich schrieb ihm doch, weil du vergessen hast, mir das Schreibzeug wegzunehmen. Darum kommt er schon seit Jahren nicht, er weiss ja alles hundertmal besser als du selbst. Deine Briefe zerkn"ullt er ungelesen in der linken Hand, w"ahrend er in der Rechten meine Briefe zum Lesen sich vorh"alt! "
Seinen Arm schwang er vor Begeisterung "uber dem Kopf. "Er weiss alles tausendmal besser! " rief er.
"Zehntausendmal!" sagte Georg, um den Vater zu verlachen, aber noch in seinem Munde bekam das Wort einen toternsten Klang.
"Seit Jahren passe ich schon auf, dass du mit dieser Frage k"amest! Glaubst du, mich k"ummert etwas anderes? Glaubst du, ich lese Zeitungen? Da! " und er warf Georg ein Zeitungsblatt, das irgendwie mit ins Bett getragen worden war, zu. Eine alte Zeitung, mit einem Georg schon ganz unbekannten Namen.
"Wie lange hast du gez"ogert, ehe du reif geworden bist! Die Mutter musste sterben, sie konnte den Freudentag nicht erleben, der Freund geht zugrunde in seinem Russland, schon vor drei Jahren war er gelb zum Wegwerfen, und ich, du siehst ja, wie es mit mir steht. Daf"ur hast du doch Augen! "
"Du hast mir also aufgelauert! " rief Georg.
Mitleidig sagte der Vater nebenbei: "Das wolltest du wahrscheinlich fr"uher sagen. Jetzt passt es ja gar nicht mehr. "
Und lauter: "Jetzt weisst du also, was es noch ausser dir gab, bisher wusstest du nur von dir! Ein unschuldiges Kind warst du ja eigentlich, aber noch eigentlicher warst du ein teuflischer Mensch! – Und darum wisse: Ich verurteile dich jetzt zum Tode des Ertrinkens! "