Er trat ans Fenster. Ob der fürchterliche Marsbewohner noch da war? Ihm kam der Gedanke, daß es eigentlich nicht übel wäre, das Tier zu fotografieren. ›Das gäbe eine sensationelle Aufnahme‹, dachte er, aber gleich darauf lachte er bitter auf. ›Wer würde sie denn zu sehen bekommen? Draußen war es Tag. Nichts rührte sich in dem sonnenbeschienenen blaugrauen Gestrüpp und auf dem Platz, auf dem das Raumschiff gelandet war. Die Lampe, die Bason weggeworfen hatte, lag noch im Sand. Von Hapgood aber war nirgends eine Spur. Da fiel Basons Blick auf einen dunklen Fleck — an dieser Stelle hatten sie in der Nacht gestanden —, und er sah das Bein eines Menschen. Der Fuß, mit Hosenresten eines blauen Overalls, steckte in einem ihm wohlbekannten Schuh. Daneben lag eine zerdrückte Uhr. Der Fleck da war Blut, und das Stück Bein war alles, was die Marsschlange von seinem Gefährten übriggelassen hatte. Bason zitterte am ganzen Leib. Eine Schwäche in den Knien zwang ihn, sich an die Wand zu lehnen.
Nein, fort aus dieser schrecklichen Welt! … Schluß machen!
Doch plötzlich fuhr er zusammen und ließ die Hand sinken.
Nicht mehr als dreihundert Meter von der Rakete entfernt bewegte sich etwas Glitzerndes, das rasch näher kam.
Die Sonne spiegelte sich hell auf der offenbar metallenen Oberfläche; was für eine Form der Gegenstand hatte, war in dem Gestrüpp nicht zu erkennen. Bason preßte die Stirn gegen die Fensterscheibe und verfolgte den rätselhaften Gegenstand, der genau auf die Rakete zusteuerte.
„Das sieht ja aus wie das Verdeck eines Autos“, sagte er laut vor sich hin. Aber wo sollte auf dem Mars ein Auto herkommen? War der Planet wirklich bewohnt, und Marsmenschen näherten sich dem Weltraumschiff? Sollte das wirklich die Rettung in letzter Minute sein?
Jäh aufkeimende Hoffnung ließ Bason das Herz höher schlagen. Wenn die Marsmenschen ein Gefährt bauen konnten, das nach Erdbegriffen einem Auto glich, dann mußte ihre Technik einen hohen Stand haben.
›Aber vielleicht ist es nur der glitzernde Panzer eines Marstieres?‹ dachte Bason. ›Wer weiß, was noch für Wesen diesen Planeten bevölkern. Der funkelnde Gegenstand näherte sich indessen mit großer Geschwindigkeit. Es war offensichtlich: er hielt auf das amerikanische Raumschiff zu.
Einige Sekunden später wurde Bason klar, daß es sich nicht um ein Tier handelte, sondern um einen Wagen, der von Menschen oder von menschenähnlichen Wesen erbaut worden war. Er erkannte deutlich das weißlackierte Verdeck des geheimnisvollen Autos.
Der Rakete näherten sich denkende Wesen. Noch ein paar qualvolle Augenblicke vergingen, dann schoß, die Pflanzenstengel unter sich zermalmend, ein kleines blendendweißes Raupenfahrzeug auf den Sandplatz heraus, auf dem es scharf bremste und hielt. Hinter den Glasscheiben der Wagenfenster waren Menschen zu sehen. Als der Mann am Steuer sich nach vorn beugte, prallte Bason mit einem dumpfen Aufschrei zurück. Er hatte das ihm von Fotografien her bekannte Gesicht Paitschadses erkannt.
Am Morgen
Von allen Planeten des Sonnensystems ist den Menschen zweifellos derjenige am bekanntesten, den man im Altertum nach dem Kriegsgott Mars benannt hatte. Seinen Namen verdankt der Planet der „blutroten“ Farbe, durch die er sich von den anderen „Wandelsternen“, den Planeten, unterscheidet. Kein Himmelskörper gab Anlaß zu so viel Meinungsverschiedenheiten, Mutmaßungen und Annahmen wie der Mars. Und kein anderer Planet spielte eine so große Rolle in der Entwicklung der Astronomie. Der geniale Kepler entdeckte die Bewegungsgesetze der Planeten eben durch die Beobachtung des Mars.
Besonders große Popularität erlangte der „rote Planet“
seit dem Jahre 1895, als der italienische Astronom Schiaparelli die Vermutung aussprach, die feinen geraden Linien, die er selber auf der Scheibe des Planeten entdeckt hatte, seien künstlich angelegte Kanäle und stellten ein grandioses, von denkenden Wesen erbautes Bewässerungssystem dar. Diese Annahme fand in der breiten Öffentlichkeit großen Anklang, stieß aber in den Kreisen der Astronomen auf ernste Einwände. Die Existenz der „Kanäle“
wurde angezweifelt. Man stellte die Behauptung auf, auch wahllos verstreute dunkle Flecken könnten in der gewaltigen Entfernung wie gerade Linien aussehen. Die alle fünf- bis siebzehn Jahre stattfindenden großen Oppositionen des Mars, bei denen der Planet der Erde am nächsten kommt, brachten keine Klarheit in das heißumstrittene Problem.
Die Frage blieb offen.