Doch etwas ist seltsam dabei: Obwohl Unternehmen Milliarden Dollar für Marketing und Werbung ausgeben, um soziale Bindungen zu schaffen – oder zumindest diesen Anschein zu erwecken –, scheinen sie deren Wesen nicht verstanden zu haben und insbesondere deren Risiken nicht zu kennen.
Was passiert beispielsweise, wenn der Scheck eines Kunden platzt? Wenn die Beziehung auf Marktnormen beruht, verlangt die Bank eine Gebühr, und der Kunde nimmt sie zähneknirschend hin. Geschäft ist Geschäft. Die Gebühr ist zwar ärgerlich, aber akzeptabel. In einer sozialen Beziehung hingegen ist eine happige Verspätungsgebühr – statt eines freundlichen Anrufs vonseiten des Sachbearbeiters oder eines automatisch generierten Gebührennachlasses – nicht nur tödlich für diese Beziehung, sondern ein Dolchstoß in den Rücken. Die Kunden werden es der Bank persönlich übelnehmen. Sie werden sich verärgert abwenden und sich groß und breit bei ihren Freunden über diese schreckliche Bank auslassen. Schließlich waren sie das Verhältnis ja unter dem Vorzeichen des sozialen Austauschs eingegangen. Unabhängig davon, wie viele Plätzchen, Werbesprüche und Zeichen gegenseitiger Freundschaft eine Bank anbietet, es reicht ein einziger Verstoß gegen die Regeln des sozialen Austauschs, und der Kunde betrachtet das Verhältnis wieder als rein wirtschaftliches. So schnell kann das gehen.
Und das Fazit? Mein Rat an Unternehmen lautet, sich zu vergegenwärtigen, dass man nicht gleichzeitig beides haben kann: Man kann seine Kunden nicht in einem Moment wie Familienmitglieder behandeln und im nächsten wieder unpersönlich – oder gar als lästig oder als Konkurrenten –, weil dies vielleicht bequemer oder profitabler ist. So funktionieren soziale Beziehungen nun einmal nicht. Wenn Sie eine solche wollen, bemühen Sie sich darum, aber vergessen Sie nicht, dass Sie die sozialen Normen unter allen Umständen beibehalten müssen.
Wenn Sie andererseits glauben, von Zeit zu Zeit hart durchgreifen zu müssen – indem Sie Zusatzgebühren für weitere Dienstleistungen verlangen oder Ihren Kunden auf die Finger klopfen, um sie zur Ordnung zu rufen –, dann sollten Sie kein Geld dafür verschwenden, Ihr Unternehmen als kuschelige Wohlfühloase hinzustellen. In diesem Fall sollten Sie eine einfache Aussage treffen: Sagen Sie, was Sie anbieten und was Sie dafür erhalten wollen. Da Sie keine sozialen Normen aufstellen, können Sie auch nicht dagegen verstoßen, und da Sie keine sozialen Erwartungen wecken, können Sie sie auch nicht enttäuschen. Schließlich geht es nur um ein Geschäft.
Manche Unternehmen versuchen auch, soziale Normen in ihrer Belegschaft zu etablieren. Das war keineswegs immer so. Vor Jahren war die Arbeitskraft in den Vereinigten Staaten in erster Linie ein industrieller, nach Gesetzen des Marktes funktionierender Tauschwert, und man hatte im Allgemeinen einen geregelten Arbeitstag mit Stechuhr. Man gab 40 Stunden Arbeitskraft und erhielt dafür am Freitag seinen Lohn. Da die Arbeitenden nach Stunden bezahlt wurden, wussten sie genau, wie lange sie für ihren Lebensunterhalt arbeiteten. Wenn die Fabriksirene heulte (oder ein anderes in dem Unternehmen übliches Zeichen kam), war der Tausch vollzogen. Dies war ein klares Geschäft nach Kriterien des Marktes, das für beide Seiten einigermaßen befriedigend verlief.
Heute hingegen sehen manche Unternehmen einen Vorteil darin, ein soziales Tauschgeschäft zu machen. In der heutigen Wirtschaft sind wir die Schöpfer immaterieller Werte. Kreativität zählt mehr als Maschinen für die industrielle Fertigung. Auch die strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit ist aufgehoben. Diejenigen, die den Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, wollen erreichen, dass wir auch bei der Fahrt nach Hause und unter der Dusche an die Arbeit denken. Sie haben uns Laptops gegeben, Handys und Blackberrys, um die Lücke zwischen Arbeitsplatz und eigenem Zuhause zu überbrücken.
Auch der Trend vieler Unternehmen, von Stundenlöhnen zu monatlicher Bezahlung überzugehen, trägt dazu bei, die festen Arbeitszeiten abzuschaffen. Bei Arbeit rund um die Uhr und an sieben Tagen haben soziale Normen einen großen Vorteil: Sie bewirken meist, dass die Mitarbeiter ihre Aufgabe mit Interesse und großem Einsatz erledigen, flexibel und engagiert sind. In einem Markt, wo die Loyalität der Arbeitnehmer gegenüber ihren Arbeitgebern eher nachlässt, sind soziale Normen das beste Instrument, um diese Loyalität wiederherzustellen und die Arbeitnehmer zu motivieren.