Dana, eine meiner Studentinnen, hatte ein ähnliches Problem – allerdings ging es bei ihr um zwei Liebhaber. Sollte sie ihre Energie und Leidenschaft einem Menschen widmen, den sie erst kürzlich kennengelernt hatte, um, wie sie hoffte, mit ihm eine dauerhafte Beziehung aufzubauen? Oder sollte sie weiterhin Zeit und Kraft in eine ältere Beziehung stecken, die bereits in ihren letzten Zügen lag? Ohne Zweifel gefiel ihr der neue Freund besser als der frühere – aber sie konnte sich nicht aus der alten Beziehung lösen.
Inzwischen wurde ihr neuer Freund schon nervös. »Wollen Sie wirklich riskieren, den Mann zu verlieren, den Sie lieben?«, fragte ich sie. »Nur weil die entfernte Möglichkeit besteht, irgendwann in der Zukunft zu entdecken, dass Sie Ihren früheren Freund mehr lieben?« Sie schüttelte den Kopf und brach in Tränen aus.*
Warum können wir uns so schwer entscheiden? Warum empfinden wir den unwiderstehlichen Drang, uns so viele Türen wie möglich offenzuhalten – selbst wenn der Preis dafür hoch ist? Warum können wir uns nicht einfach auf eine Sache festlegen?*
Um diese Fragen zu beantworten, dachten Jiwoong Shin (Professor in Yale) und ich uns eine Versuchsreihe aus, die das Dilemma, in dem sich Joe und Dana befanden, erfasste. Wir verwendeten ein Computerspiel, um, wie wir hofften, einen Teil der Komplexität, die das Leben mit sich bringt, auszublenden und eine direkte Antwort auf die Frage zu erhalten, ob Menschen dazu neigen, sich zu lange möglichst viele Optionen offenzuhalten. Wir nannten es das »Türenspiel«. Als Ort des Geschehens wählten wir einen dunklen, trostlosen Raum – eine Höhle, die selbst Xiang Yus Armee nur widerwillig betreten hätte.
Das Studentenwohnheim auf dem Ost-Campus des MIT ist ein furchterregender Ort, wo Hacker, Hardware-Freaks, komische Käuze und sonstige Außenseiter zu Hause sind – und Sie können mir glauben, man muss schon sehr, sehr unangepasst sein, um am MIT als Außenseiter zu gelten. Dort gibt es einen Saal, in dem man laut Musik machen, wilde Partys veranstalten und sogar nackt auftreten kann. In einem anderen Raum treffen sich alle möglichen Technikstudenten, und überall stehen deren Modelle herum – von Brücken bis hin zu Achterbahnen. (Sollten Sie einmal dorthin kommen, drücken Sie auf den Knopf mit der Aufschrift »emergency pizza«, dann wird Ihnen kurze Zeit später eine Pizza geliefert.) Ein dritter Raum ist vollkommen schwarz gestrichen. In einem vierten befinden sich Toiletten, deren Wände mit den verschiedensten Wandmalereien geschmückt sind: Wenn man auf die Palme oder den Sambatänzer drückt, erschallt Musik, die auf dem Computer im Partyraum gespeichert ist (natürlich legal aus dem Internet heruntergeladen).
Vor wenigen Jahren streifte Kim, eine meiner Forschungsassistentinnen, eines Nachmittags mit einem Laptop unter dem Arm durch die Flure auf dem Ost-Campus. Sie klopfte an jede Tür und fragte die Studenten, ob sie sich etwas Geld verdienen wollten, indem sie sich an einem kurzen Experiment beteiligten. Wenn die Antwort positiv ausfiel, trat sie ein und suchte sich (manchmal mühsam) einen Platz, wo sie ihren Laptop aufstellen konnte.
Wenn das Programm für das Experiment hochgeladen war, erschienen auf dem Bildschirm drei Türen: eine rote, eine blaue und eine grüne. Dann erklärte Kim den Teilnehmern, sie könnten einen der Räume betreten, indem sie einfach eine bestimmte Tür (rot, blau oder grün) anklickten. Mit jedem weiteren Klick in dem jeweiligen Raum konnten sie eine bestimmte Geldsumme verdienen. Wenn zum Beispiel in einem Raum zwischen einem und zehn Cent geboten wurden, bekamen sie mit jedem Mausklick einen Betrag innerhalb dieser Spanne. Auf dem Bildschirm erschien dann jeweils der Gesamtbetrag, den sie angehäuft hatten.
Um bei diesem Experiment die Höchstsumme zu erzielen, mussten die Studenten den Raum mit den größten Zahlungen finden und darin so oft wie möglich die Maustaste betätigen. Das war keineswegs so banal, wie es sich anhören mag. Bei jedem Wechsel in einen anderen Raum wurde ein Klick verbraucht (insgesamt durfte jeder Teilnehmer hundert Mal klicken). Einerseits war der Wechsel zwischen den Räumen eine gute Strategie, um den höchstmöglichen Gewinn herauszufinden. Doch wenn man andererseits hektisch von einer Tür zur nächsten rannte (und von Raum zu Raum), verbrauchte man Klicks, mit denen man ansonsten hätte Geld verdienen können.
Albert, ein Geigenspieler (er wohnte im Haus der Verehrer von Dark Lord Krotus), war einer der Ersten, der sich für das Experiment zur Verfügung stellte. Er war sehr leistungsorientiert und entschlossen, mehr Geld bei dem Spiel zu gewinnen als alle anderen. Als Erstes wählte er die rote Tür und betrat den würfelförmigen Raum.