»Können Sie mich dorthin bringen?«, fragte Scott. »Dorthin, wo's passiert ist?«
»Jetzt gleich?« Clayton warf einen Blick auf die Armbanduhr. »Ist noch ein bisschen früh für's Mittagessen, aber wir könnten Ihnen 'nen kleinen Imbiss anbieten ... Da draußen gibt's nichts für Sie zu sehen, gar nichts, mein Freund.«
Scott wandte sich zur Außentür der Veranda. »Nein, danke, Mr. Barr.« Er trat in den Nieselregen hinaus. »Ich find's schon allein.«
»Biegen Sie am Ende der Straße rechts ab«, rief Clayton ihm nach. Aber der Wagen rollte bereits aus dem Hof.
30
Der Friedhof von Hampton Meadow nahm rund viertausend • Quadratmeter des hügeligen Geländes ein, das rund achthundert Meter von Clayton Barrs Auffahrt entfernt lag. Scott, der ohne Mühe hingefunden hatte, stellte den Wagen vor der schmiedeeisernen Eingangspforte ab. Ehe er in den Nieselregen hinaustrat, holte er die Zeichnungen aus der Tasche und faltete sie sorgfältig auseinander.
Nach Westen hin setzte sich die Landstraße mit vielen Windungen fort und folgte dabei einer Bodenkrümmung, die sich über mehrere hundert Meter erstreckte. Hinter einem Buckel führte sie scharf nach links und verschwand aus dem Blickfeld. Auf dem Seitenstreifen ging Scott langsam auf den Hügel zu. Selbst aus dieser Entfernung konnte er erkennen, wo der Volvo von der gepflasterten Straße abgekommen war. Dort wies der Matsch tiefe Furchen auf. Am Hügel waren Bremsspuren zu sehen, die sich wie schwarze Bänder in sein Blickfeld schlängelten - Spuren, die einander kreuzten und wieder trennten, als sie zum Seitenstreifen bogen. Als Scott näher heranging, konnte er die Stelle ausmachen, an der das Auto auf die Mauer geprallt war; überall lagen abgesplitterte Steinbrocken herum. An der Bruchstelle der Friedhofsmauer standen keine Bäume. Es gab hier keine niedrig hängenden Aste, die erklärt hätten, warum die Windschutzscheibe nach innen zerschellt war.
Scott stieg die steile Böschung zum Straßengraben hinunter, wobei er auf dem regenfeuchten Gras immer wieder ausglitt. Irgendetwas da unten war ihm ins Auge gefallen. In einer Mulde mit abgestandenem Wasser glitzerte etwas, das wie Metall aussah. Als er hineingriff, stießen seine Finger auf ein abgesprengtes Blechteilchen, das zum Volvo gehörte. Das Wasser war so moderig, dass seine Hand nach Jauchegrube stank, als er sie wieder herauszog.
Er ließ das Blechteilchen fallen und kletterte die gegenüberliegende Böschung hinauf. Danach stieg er schwer atmend über die niedrige Mauer aus Feldsteinen und betrat den Friedhof.
Während er sich weiter hineinwagte, verwandelte sich der im Eingangsbereich wohl geordnete Friedhof in ein Wirrwarr verstreuter Grabstätten, von denen ein beträchtlicher Anteil fast nur aus rechteckigen Granitplatten bestand, die flach in die Erde eingelassen waren. Offenbar kümmerte sich niemand um diesen hinteren Teil, mit Ausnahme einiger weniger persönlich betreuter Grabstätten.
Fast unbewusst vermied er es, direkt auf die Gräber zu treten. Seine Mutter hatte ihn davor gewarnt, als er noch recht jung gewesen war, und seitdem hatte er aus irgendeinem Aberglauben heraus kein gutes Gefühl dabei.
Nachdem er eine kleine Anhöhe erklommen hatte, blieb er kurz unter einem knorrigen, kahlen Baum stehen, der nur wenig Schutz vor dem Regen bot. Hinter der Anhöhe zeichnete sich vor einer Bodenmulde voller Grabstätten eine schwarz gekleidete Frau ab, die vor einem sandfarbenen Grabstein kauerte. Sie wiegte sich hin und her und weinte. Ihr jämmerliches Schluchzen drang mal leiser, mal lauter zu Scott hinüber. Ein durchnässter Kranz von Sommerblumen lag auf dem frisch ausgehobenen, regenfeuchten Grab.