Scott geriet ins Stolpern, fast wäre er hingefallen.
Und plötzlich war es so, als sei er durch die fragile Schicht gebrochen, die geistige Gesundheit von geistiger Umnachtung trennt. Das Summen in seinem Kopf wurde plötzlich ohrenbetäubend laut, verschluckte die Geräusche in seiner Umgebung und verzerrte sie gleichzeitig wie durch einen Lautsprecher: das leise Seufzen des Windes, das regelmäßige Tropfen des Regens, das Pochen seines Herzens, das gegen seine Rippen schlug. Als er sich bückte, um die Zeichnungen aufzuheben, schienen die Cartoons für einen Augenblick zum Leben zu erwachen. Körper in verschiedenen Stadien der Verwesung bahnten sich einer nach dem anderen mit den Schultern den Weg aus der bebenden Erde. Er meinte, sie zu hören und zu riechen. Dieser Moment war so irreal, dass er sich mit einem Ruck umwandte, um die Gräber hinter sich ins Visier zu nehmen.
Aber unter dem sterbenden Gras und den anwachsenden Regenpfützen lag die Erde völlig unberührt da und breitete den schweren Mantel des Todes über die Dahingeschiedenen.
Scott lehnte sich gegen die Mauer aus Feldsteinen, presste die klammen Finger gegen die Schläfen und wartete darauf dass sich das Hämmern in seinem Kopf endlich legte. Als es zu einem erträglichen Pochen abgeebbt war, stieg er über die niedrige Einfriedung und machte sich zitternd und mit großen, steifen Schritten auf den Weg durch die Old Burwash Road. Der spätsommerliche Regen ließ ihn bis ins Mark frösteln.
Rund fünfhundert Meter westlich der Stelle, an der er über die Friedhofsmauer gestiegen war, blieb er stehen. Als er zu Boden schaute, meinte er, auf dem Asphalt ganz schwach einen fast kreisrunden Fleck zu erkennen.
Und dann stand Brian Horner hinter ihm und fragte wieder und wieder: »Ist sie tot? Ist sie tot?« Seine Stimme war schrill vor Entsetzen.
Kurz vor der Morgendämmerung standen sie im leichten Nebel herum, verängstigt und wie zu Standbildern erstarrt. Alle drei beugten sich über den steifen Körper des Kindes und sahen zu, wie sich die rote Pfütze, die den zarten Kopf wie ein Heiligenschein umgab, immer weiter ausbreitete. In ihrem hübschen, weißen Sommerkleid voller Rüschen und Spitzen lag die Kleine zusammengekrümmt auf der Seite. Ein Bein war völlig unnatürlich verdreht. Die Arme hatte sie vor sich gestreckt, als hätte sie noch versucht, sich irgendwo festzuhalten, während sie sterbend durch die feuchte Morgenluft gesegelt war. Sie hatte schneeweiße Söckchen getragen, aber am verdrehten Bein war das Söckchen halb vom Fuß gerutscht. Die Wucht des Aufpralls hatte sie auf der Stelle aus den frisch geputzten Sonntagsschuhen geschleudert. (In diesem Augenblick wurde Scott klar, dass es tatsächlich Sonntag war. Sie war bereits für den Kirchgang angezogen gewesen.)
Das Kätzchen, dem sie nachgelaufen war, kam aus dem Schatten geschossen und miaute dabei zum Herzerbarmen -eine winzige, von Gott und der Welt verlassene Kreatur. Aber als der Wind das seidige Haar der Kleinen erfasste, sprang das Kätzchen munter vorwärts und schlug spielerisch nach den durcheinander wirbelnden silberweißen Strähnen.
Scott, der sich so fühlte, als müsse sein Kopf gleich platzen, kniete sich an ihre Seite und legte einen Finger auf ihre Halsschlagader. Jedes bisschen Empfindsamkeit, das er noch besaß, konzentrierte er auf die Fingerspitze. Dazu murmelte er innerlich Gebete, die er seit vielen Jahren, allzu vielen Jahren, nicht mehr gesprochen hatte.
Aber er konnte nichts spüren, nichts als weiche Haut und nachlassende Wärme. Als er sich zu seinen Freunden umdrehte, die im Hintergrund immer noch warteten und fast wie gesichtslose Silhouetten wirkten