»Nein, das war nur eine Redewendung. Eigentlich nähe ich gerade. Volemak besteht darauf, daß wir alle lernen, mit diesen schrecklichen Knochennadeln zu nähen. Sie sind so dick, daß sie bei jedem Stich klaffende Löcher in den Stoff reißen. Aber Volemak ist der Ansicht, daß es eines Tages keine Nadeln aus Stahl mehr geben wird, und deshalb … na ja,
»Es tut mir leid«, sagte Vas. »Du langweilst mich nicht. Aber ich habe mehr dem Klang deiner Stimme als deinen Worten gelauscht. Ich hoffe, du verzeihst mir. Elemak kann sich glücklich schätzen, eine Frau zu haben, bei der normales Sprechen wie Musik klingt.«
Sie schaute angesichts des Kompliments verwirrt drein, lachte dann aber hell. »Ich glaube nicht, daß Elemak sich sehr glücklich schätzt«, sagte sie.
»Dann ist Elemak ein Narr«, sagte Vas. »Wenn er sich von solcher Güte und Schönheit wie der deinen abwendet …«
»Vas, versuchst du etwa, mich zu verführen?« fragte Eiadh.
Er war so durcheinander, daß er es nur abstreiten konnte. »Nein, ich kann doch nicht … Glaubst du etwa, daß ich … oh, ist das peinlich. Ich wollte mich mit dir
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Eiadh. »Ich weiß, daß meine Tugend bei dir sicher ist.«
Vas setzte sein bestes trockenes Lächeln auf. »Anscheinend ist die Tugend aller Frauen bei mir sicher.«
»Armer Vas«, sagte sie. »Du und ich, wir haben etwas gemeinsam.«
»Ach ja?« fragte er. War es möglich, daß sie ihm dieselben Gefühle entgegenbrachte, die er für sie hegte? Vielleicht hätte er seine Absicht, sie zu verführen, nicht so schnell und energisch abstreiten sollen.
»Vom Offensichtlichen abgesehen, meine ich«, sagte sie. »Anscheinend sind wir beide dazu bestimmt, in unseren eigenen Autobiographien Nebenrollen zu spielen.«
Vas lachte, weil es den Anschein hatte, daß sie genau darauf wartete. »Und damit meinst du …«, sagte er.
»Oh, nur, daß wir beide hier und da von den Entscheidungen durchgeschüttelt werden, die andere Leute treffen. Warum in aller Welt hat man
»Ja«, sagte Vas. »Jetzt verstehe ich, was du meinst. Aber können zwei Nebendarsteller wie wir nicht trotzdem unsere kleinen Schauspiele aufführen, während die berühmten Schauspieler mit volltönender Stimme Reden vor dem großen Publikum der Geschichte halten? Können wir uns nicht in der Dunkelheit, in der wir das einzige Publikum sind, irgendein Glück zusammenkratzen?«
»Ich bin nicht der Typ, der in der Dunkelheit irgend etwas zusammenkratzt«, sagte Eiadh. »Ich habe eine dumme Ehe geschlossen und wußte es fast sofort. Das war bei dir genauso, fürchte ich. Aber das bedeutet nicht, daß ich die Zukunft meiner Kinder in Gefahr bringen werde, ganz zu schweigen von meiner eigenen, um irgendeinen Trost zu finden oder irgendeine Rache zu üben. Ich nehme das Glück, das ich im Licht finden kann, wo mich jeder sieht. Ich liebe meine Kinder. Du hast selbst gute Kinder, Vas. Finde Trost in ihnen.«
»Die Liebe meiner Kinder ist nicht die Liebe, nach der ich mich sehne«, sagte er. Er wagte es, bei ihr unverblümt vorzugehen, weil ihm klar wurde, daß sie all seine Versuche, kluge Umwege einzuschlagen, sowieso durchschaute.
»Vas«, sagte sie freundlich, »ich bewundere dich schon seit langem, weil du alles mit solcher Geduld erträgst. Ich weiß mittlerweile, welche Art der Stärke die bessere ist, die deine oder Elemaks. Aber ich bewundere auch, daß du imstande bist, das alles zu ertragen, ohne davor zurückzuweichen. Wir wollen doch nicht so werden, wie sie es sind. Erniedrigen wir uns nicht so sehr, daß wir schließlich verdienen, was sie uns antun.«
Vas war ein aufmerksamer Mann. Er bemerkte sofort, daß sie sich auf etwas zu beziehen schien, das erst vor kurzer Zeit vorgefallen war, und nicht auf uralte Geschichten aus Basilika. Sie schien anzunehmen, daß er etwas wußte, was er noch nicht wußte. »Du wirst nie verdient haben, was Elemak dir antut«, sagte er in der Hoffnung, eine ganz bestimmte Antwort darauf zu bekommen.
Und er bekam sie. »Und du hast auch nicht verdient, was Sevet dir antut«, erwiderte sie. »Man sollte doch meinen, sie hätte ihre Lektion schon vor langer Zeit gelernt, aber manche Frauen lernen nichts, während andere alles lernen.«