Читаем Die Vermessung der Welt полностью

Humboldt hielt sich sehr gerade und hob den Handrücken an den Rand seiner Kappe. Vom Gebäude her

näherten sich Männer in dunklen Gehröcken; voran der

Präsident, hinter ihm der Außenminister Madison.

Humboldt sagte etwas von der Ehre hierzusein, seinem

Respekt vor der liberalen Idee, von der Freude, die Sphäre

einer drückenden Despotie verlassen zu haben.

Ob er schon gegessen habe, fragte der Präsident und

schlug ihm auf die Schulter. Sie müssen doch etwas essen,

Baron!

Das Galadiner war miserabel, doch die Würdenträger

der Republik hatten sich alle versammelt. Humboldt

sprach von der Eiseskälte der Kordilleren und den Mükkenschwärmen am Orinoko. Er erzählte gut, bloß verlor

er sich immer wieder in Fakten: Er berichtete so detailliert über Ströme und Druckschwankungen, über das

Verhältnis von Höhenlage und Vegetationsdichte, über

die feinen Unterschiede der Insektenarten, daß mehrere

Damen zu gähnen begannen. Als er sein Notizbuch

hervorholte und anfing, Meßergebnisse vorzutragen, versetzte Bonpland ihm unter dem Tisch einen Tritt. Humboldt trank einen Schluck Wein und kam auf die Last des

Despotismus und die Ausbeutung der Bodenschätze zu

reden, welche einen sterilen Reichtum erzeuge, von dem

die Volkswirtschaft niemals profitieren könne. Er sprach

über den Alpdruck der Sklaverei. Wieder spürte er einen

Tritt. Er sah Bonpland böse an, dann erst begriff er, daß

es der Außenminister gewesen war.

Jefferson habe Ländereien, flüsterte Madison.

Und?

Mit allem, was dazugehöre.

Humboldt wechselte das Thema. Er erzählte vom

schmutzigen Hafen Havannas, vom Hochland von Caxamarca, von Atahualpas versunkenem Goldgarten, von

den Tausende Meilen langen Steinwegen, mit denen das

Inkavolk die unzähligen Anhöhen verbunden hatte. Er

hatte schon mehr getrunken, als er es gewöhnt war, sein

Gesicht rötete sich, seine Bewegungen wurden ausladender. Immer schon sei er unterwegs gewesen, seit seinem

achten Lebensjahr. Nie habe er mehr als sechs Monate an

einem Ort verbracht. Er kenne alle Kontinente und habe

die Fabelwesen gesehen, von denen die orientalischen

Märchenerzähler berichteten: fliegende Hunde, mehrköpfige Schlangen und äußerst polyglotte Papageien.

Leise vor sich hin lachend, ging er schlafen.

Am nächsten Tag hatte er, trotz seiner Kopfschmerzen,

eine lange Unterredung im elliptisch geformten Arbeitszimmer des Präsidenten. Jefferson lehnte sich zurück und

nahm seine Brille ab.

Bifokalgläser, erklärte er, sehr brauchbar, eine der vielen

Erfindungen seines Freundes Franklin. Offen gesagt, der

Mann sei ihm immer unheimlich gewesen, er habe ihn

nie begriffen. Ja natürlich, gern. Hier!

Während Humboldt die Brille untersuchte, faltete Jefferson die Hände auf der Brust und begann Fragen zu

stellen. Wenn Humboldt abschweifte, schüttelte er mild

den Kopf, unterbrach und fragte noch einmal. Auf dem

Tisch lag wie zufällig eine Karte von Mittelamerika. Er

wollte alles über Neuspanien, dessen Transportwege und Bergwerke wissen. Es interessierte ihn, wie die Administration arbeitete, wie im Land und über den Ozean hinweg Befehle übermittelt wurden, wie die Stimmung unter den Adeligen war, wie groß die Armee, wie ausgerüstet, wie gut ausgebildet. Wenn man eine Großmacht zum Nachbarn habe, könne man nie genug Information besitzen. Dennoch mache er den Herrn Baron darauf aufmerksam, daß er im Auftrag der spanischen Krone gereist sei. Womöglich verpflichte ihn das zu Verschwie

genheit.

Ach warum, sagte Humboldt. Wem solle es schaden? Er

beugte sich über die Karte, deren zahlreiche Fehler er

gerade berichtigt hatte, und markierte mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen. Jefferson bedankte sich seufzend. Was wisse man hier

schon? Man sei eine kleine Protestantengemeinde am

Rand der Welt. Unendlich weit von allem.

Humboldt warf einen Blick durchs Fenster. Zwei Arbeiter schleppten eine Leiter vorbei, ein dritter hob eine

Kiesgrube aus. Um ehrlich zu sein, er könne es nicht erwarten, wieder nach Hause zu kommen.

Nach Berlin?

Humboldt lachte. Kein Mensch von Verstand könne

diese greuliche Stadt sein Zuhause nennen. Er meine

natürlich Paris. In Berlin, soviel sei sicher, werde er nie

wieder wohnen.

Der Sohn

Mißmutig legte Gauß seine Serviette weg. Das Essen hatte ihm gar nicht geschmeckt. Aber da er sich schlecht darüber beschweren konnte, begann er über die Stadt zu schimpfen. Er fragte, wie man es hier aushalten könne.

Es habe auch Vorteile, sagte Humboldt unbestimmt. Welche?

Humboldt sah ein paar Sekunden starr auf die Tischplatte. Ihm schwebe vor, sagte er dann, die Erde mit einem Netz magnetischer Beobachtungsstationen zu überziehen. Er wolle herausfinden, ob es einen, zwei oder unzählige Magneten in ihrem Inneren gebe. Die Royal Society habe er schon dafür gewonnen, aber er brauche noch die Hilfe des Fürsten der Mathematiker!

Dazu brauche man keinen besonderen Mathematiker, sagte Gauß. Er habe sich schon mit fünfzehn mit Magnetismus beschäftigt. Kinderkram. Bekomme man hier auch Tee?

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