»Na also«, sagte ich,»dann brauchen Sie sich noch gar nicht aufzuregen. Vielleicht ist ihr abends nicht ganz wohl gewesen, und sie ist über Nacht geblieben. So was kommt ja oft mal vor. Wahrscheinlich ist sie in ein, zwei Stunden wieder da.«
»Meinen Sie?«
Die Küchentür öffnete sich und Frida erschien mit einem Tablett.
»Für wen ist denn das?«fragte ich.
»Für Fräulein Hollmann«, erwiderte sie, leicht gereizt durch meinen Anblick.
»Ist sie denn schon auf?«
»Das muß sie doch«, erklärte Frida schlagfertig,»sonst hätte sie doch nicht nach Frühstück geklingelt.«
»Gott segne Sie, Frida«, erwiderte ich.»Morgens sind Sie manchmal direkt ein Labsal. Könnten Sie sich überwinden, auch meinen Kaffee gleich zu machen?«
Sie knurrte etwas und schritt den Gang hinauf, wobei sie verächtlich den Hintern schwenkte. Sie konnte das. Sie war das einzige Wesen, bei dem ich so was je so ausdrucksvoll gesehen hatte.
Hasse hatte gewartet. Ich schämte mich plötzlich, als ich mich umwandte und ihn so ergeben und still wieder neben mir sah.»In ein, zwei Stunden sind Sie sicher Ihre Sorge los«, sagte ich und hielt ihm die Hand hin.
Er nahm sie nicht, sondern blickte mich sonderbar an.»Könnten wir sie nicht suchen?«fragte er leise.
»Aber Sie wissen doch nicht, wo sie ist.«
»Man könnte sie vielleicht doch suchen«, wiederholte er.»Wenn wir Ihren Wagen nähmen – ich will selbstverständlich alles bezahlen«, fuhr er schnell fort.
»Darum handelt es sich nicht«, erwiderte ich.»Es ist nur ganz aussichtslos. Wohin sollten wir denn fahren? Sie wird auch um diese Zeit nicht auf der Straße sein.«
»Ich weiß es nicht«, sagte er, immer noch ebenso leise.»Ich meine nur, daß man sie suchen könnte.«
Frida kam mit ihrem leeren Tablett zurück.»Ich muß jetzt fort«, sagte ich,»und ich glaube, Sie machen sich unnötig Sorgen. Trotzdem würde ich Ihnen gern den Gefallen tun, aber Fräulein Hollmann muß bald verreisen, und ich möchte gern heute noch mit ihr zusammen sein. Es ist vielleicht ihr letzter Sonntag hier. Das verstehen Sie doch sicher?«
Er nickte.
Er tat mir leid, wie er so dastand, aber ich war ungeduldig, zu Pat zu kommen.»Wenn Sie trotzdem gleich losfahren wollen, können Sie ja ein Taxi unten nehmen«, fuhr ich fort,»aber ich rate Ihnen nicht dazu. Warten Sie lieber noch etwas – dann kann ich meinen Freund Lenz anrufen, und er wird mit Ihnen suchen.«
Ich hatte das Gefühl, daß er gar nicht zuhörte.»Sie haben sie heute morgen nicht gesehen?«fragte er dann plötzlich.
»Nein«, erwiderte ich verwundert.»Sonst hätte ich es Ihnen ja längst gesagt.«
Er nickte wieder und ging dann abwesend, ohne ein Wort in sein Zimmer zurück.
Pat war schon bei mir gewesen und hatte die Rosen gefunden. Sie lachte, als ich hereinkam.»Robby«, sagte sie,»ich bin doch ziemlich harmlos. Erst Frida hat mich aufgeklärt, daß frische Rosen sonntags früh um diese Zeit zweifellos etwas mit Diebstahl zu tun haben müßten. Sie hat mir auch erklärt, daß diese Sorte in den umliegenden Blumengeschäften nicht zu kaufen ist.«
»Glaub, was du willst«, erwiderte ich.»Die Hauptsache ist, daß sie dir Freude machen.«
»Jetzt noch mehr als sonst, Liebling. Du hast sie doch unter Gefahren erbeutet!«
»Na, und unter was für Gefahren!«Ich dachte an den Pastor.»Aber wieso bist du so früh schon auf?«
»Ich konnte nicht mehr schlafen. Und dann habe ich auch geträumt. Nichts Schönes.«
Ich blickte sie aufmerksam an. Sie sah müde aus und hatte Schatten unter den Augen.»Seit wann träumst du so was?«sagte ich.»Ich dachte, das wäre bisher meine Spezialität.«
Sie schüttelte den Kopf.»Hast du gesehen, daß es Herbst wird draußen?«
»Bei uns nennt man das Spätsommer«, erwiderte ich.»Die Rosen blühen ja noch. Es regnet, das ist alles, was ich sehe.«
»Es regnet«, wiederholte sie.»Es regnet schon viel zu lange, Liebling. Manchmal nachts, wenn ich aufwache, glaube ich, daß ich ganz begraben bin unter dem vielen Regen.«
»Du mußt nachts zu mir kommen«, sagte ich.»Dann hast du solche Gedanken nicht mehr. Im Gegenteil, es ist schön, beieinander zu sein, wenn es dunkel ist und wenn es draußen regnet.«
»Vielleicht«, erwiderte sie und lehnte sich an mich.
»Ich habe es ganz gern, wenn es sonntags regnet«, sagte ich.»Man merkt dann besser, wie gut man es hat. Wir sind zusammen, wir haben ein warmes, schönes Zimmer und einen freien Tag vor uns – ich finde, das ist eine ganze Menge.«
Ihr Gesicht hellte sich auf.»Ja, wir haben es gut, nicht wahr?«
»Ich finde, daß wir es wunderbar haben. Wenn ich an früher denke – mein Gott! Ich hätte nie gedacht, daß ich es noch einmal so gut haben würde.«
»Es ist schön, wenn du das sagst. Ich glaube es dann sofort. Du mußt es öfter sagen.«
»Sage ich es nicht oft genug?«
»Nein.«
»Kann sein«, sagte ich.»Ich glaube, ich bin nicht sehr zärtlich. Ich weiß nicht warum, aber ich kann es einfach nicht sein. Dabei wäre ich es sehr gern.«
»Du brauchst es nicht, Liebling, ich verstehe dich auch so. Nur manchmal, da möchte man es trotzdem auch gern hören.«
»Ich werde es dir von jetzt an jedesmal sagen. Auch wenn ich mir albern dabei vorkomme.«