Ich blieb draußen. Ich zitterte vor Erregung.»Karl! Karl!«sagte ich. Jetzt wechselten gedämpfte und heulende Schläge – der Wagen mußte im Dorf sein, er fuhr in irrsinnigem Tempo zwischen den Häusern durch. Jetzt wurde das Heulen schwächer; er war hinter dem Wald – und jetzt schwoll es an, rasend, jubelnd, ein heller Strich wischte durch den Nebel, die Scheinwerfer, ein Donnern, der Arzt stand fassungslos neben mir, jäh blendete uns das voll heranschießende Licht, und mit knirschendem Ruck hielt der Wagen vor der Gartentür. Ich rannte hin. Der Professor stieg gerade aus. Er beachtete mich nicht, sondern ging auf den Arzt zu. Hinter ihm kam Köster.»Wie geht es ihr?«sagte er.
»Sie blutet noch.«»Kommt vor«, sagte er,»brauchst dich noch nicht zu ängstigen.«Ich schwieg und sah ihn an.»Hast du eine Zigarette?«fragte er. Ich gab sie ihm.»Gut, daß du gekommen bist, Otto.«
Er rauchte mit tiefen Zügen.»Dachte, es wäre besser so.«
»Du bist sehr schnell gefahren.«
»Es ging. Hatte bloß ein Stück Nebel.«
Wir saßen auf der Bank nebeneinander und warteten.»Denkst du, daß sie durchkommt?«fragte ich.
»Natürlich. Eine Blutung ist nicht gefährlich.«
»Sie hat mir nie etwas davon gesagt.«
Köster nickte.»Sie muß durchkommen, Otto«, sagte ich.
Er sah nicht auf.»Gib mir noch eine Zigarette«, sagte er,»ich habe vergessen, meine einzustecken.«
»Sie muß durchkommen«, sagte ich,»sonst ist alles Scheiße.«
Der Professor kam heraus. Ich stand auf.»Verdammt will ich sein, wenn ich noch einmal mit Ihnen fahre«, sagte er zu Köster.
»Entschuldigen Sie«, sagte Köster,»es ist die Frau meines Freundes.«
»So«, sagte Jaffé und sah mich an.
»Kommt sie durch?«fragte ich.
Er betrachtete mich aufmerksam. Ich blickte zur Seite.»Glauben Sie, daß ich so lange hier bei Ihnen stünde, wenn sie nicht durchkäme?«sagte er.
Ich biß die Zähne zusammen. Ich preßte die Fäuste ineinander. Ich weinte.»Entschuldigen Sie«, sagte ich,»es geht etwas zu schnell.«
»So was kann gar nicht schnell genug gehen«, sagte Jaffé und lächelte.
»Nimm's nicht übel, Otto«, sagte ich,»daß ich flenne.«
Er drehte mich bei den Schultern um und stieß mich zur Tür hin.
»Geh mal da 'rein. Wenn der Professor es erlaubt.«
»Bin schon fertig«, sagte ich,»kann ich 'rein?«
»Ja, aber nicht sprechen«, antwortete Jaffé,»und nur einen Augenblick. Sie darf sich nicht aufregen.«
Ich sah nichts als einen schwimmenden Lichtschein im Wasser.
Ich blinzelte. Das Licht schwankte, glitzerte. Ich wagte nicht, mir die Augen zu wischen, damit Pat nicht meinte, ich weinte, weil es so schlecht stünde. Ich versuchte nur ein Lachen in das Zimmer hinein.
Dann drehte ich mich rasch wieder um.
»War es richtig, daß Sie kamen?«fragte Köster.
»Ja«, sagte Jaffé,»es war besser.«
»Ich kann Sie morgen früh wieder mit zurücknehmen.«
»Lieber nicht«, sagte Jaffé.
»Ich werde vernünftig fahren.«
»Ich will noch einen Tag bleiben und die Sache beobachten. Ist Ihr Bett frei?«fragte er mich. Ich nickte.
»Gut, dann schlafe ich hier. Können Sie im Dorf unterkommen?«
»Ja. Soll ich Ihnen eine Zahnbürste und einen Pyjama besorgen?«
»Nicht nötig. Habe alles bei mir. Bin immer auf so was vorbereitet. Wenn auch nicht gerade auf Rennen.«
»Entschuldigen Sie«, sagte Köster,»ich kann mir gut denken, daß Sie ärgerlich sind.«
»Bin ich nicht«, sagte Jaffé.
»Dann tut's mir leid, daß ich Ihnen nicht gleich die Wahrheit gesagt habe.«
Jaffé lachte.»Sie haben eine schlechte Meinung von Ärzten. Und nun gehen Sie ruhig. Ich bleibe hier.«
Ich holte rasch ein paar Sachen für Köster und mich. Wir gingen ins Dorf.»Bist du müde?«fragte ich.
»Nein«, sagte er,»wir wollen uns noch irgendwo hinsetzen.«
Nach einer Stunde wurde ich unruhig.»Wenn er dableibt, ist es doch sicher gefährlich, Otto«, sagte ich.»Weshalb sollte er es sonst tun…«
»Ich glaube, er bleibt aus Vorsicht da«, antwortete Köster.»Er mag Pat sehr gern. Er hat es mir erzählt, als wir hier einfuhren. Er hat schon ihre Mutter behandelt…«
»Hat die denn auch…«
»Ich weiß nicht«, sagte Köster rasch,»kann auch was anderes gewesen sein. Wollen wir schlafen gehen?«
»Geh ruhig, Otto. Ich möchte doch noch mal – nur so von weitem…«
»Schön. Ich geh' mit.«
»Ich will dir was sagen, Otto. Ich schlafe sehr gern draußen bei dem warmen Wetter. Laß dich nicht stören. Hab's letzthin schon öfter gemacht.«
»Es ist ja naß.«
»Das macht nichts. Ich mach' Karls Verdeck hoch und setze mich da ein bißchen 'rein.«
»Gut. Ich schlafe auch gern mal draußen.«
Ich merkte, daß ich ihn nicht loswurde. Wir packten ein paar Decken und Kissen zusammen und gingen zurück zu Karl. Wir machten die Gurtbänder los und drückten die Vordersitze nach hinten. So konnte man ganz gut liegen.»Besser als manchmal im Felde«, sagte Köster. Der helle Fleck des Fensters schien durch die diesige Luft. Ein paarmal sah ich den Schatten Jaffés davor. Wir rauchten eine Schachtel Zigaretten leer. Dann wurde das Licht abgeschaltet, und es brannte nur noch die kleine Nachttischlampe.
»Gott sei Dank«, sagte ich.