»Doch. Er hat ihm Anweisungen gegeben. Ihr Freund Lenz hat sie mir telefoniert. Ganz klar und richtig sogar. Ist Ihr Freund Lenz Arzt?«»Nein. Er wollte es werden. Und Köster?«Der Arzt sah mich an.»Lenz hat telefoniert, Köster sei vor wenigen Minuten abgefahren. Mit dem Professor.«Ich mußte mich anlehnen.»Otto«, sagte ich.»Ja«, fügte der Arzt hinzu,»das ist das einzige, was er falsch gesagt hat. Er hat gemeint, sie wären in zwei Stunden hier. Ich kenne die Strecke. Sie brauchen bei schärfster Fahrt über drei Stunden. Immerhin…«
»Doktor«, erwiderte ich,»Sie können sich darauf verlassen. Wenn er sagt zwei Stunden, dann ist er in zwei Stunden hier.«
»Es ist unmöglich. Die Strecke ist kurvig, und es ist Nacht.«
»Warten Sie ab«, sagte ich.
»Immerhin – wenn er dann hier ist – es ist besser, daß er kommt.«
Ich konnte es nicht mehr aushalten. Ich ging ins Freie. Draußen war es neblig geworden. Das Meer rauschte in der Ferne. Von den Bäumen tropfte es. Ich sah mich um. Ich war nicht mehr allein. Hinter dem Horizont im Süden heulte jetzt ein Motor. Hinter den Nebeln raste die Hilfe über die blassen Straßen, die Scheinwerfer spritzten Licht, die Reifen pfiffen und zwei Hände hielten eisern das Steuer, zwei Augen bohrten sich in das Dunkel, kalt, beherrscht: die Augen meines Freundes – Später hörte ich von Jaffé, wie es gewesen war.
Köster hatte sofort nach dem Anruf Lenz telefoniert, er solle sich bereit halten. Dann hatte er Karl geholt und war mit Lenz zur Klinik Jaffés gerast. Die Stationsschwester nahm an, der Professor sei zum Abendessen gegangen. Sie nannte Köster eine Anzahl Lokale, in den er vielleicht zu treffen wäre. Köster fuhr los. Er überfuhr alle Verkehrszeichen – er kümmerte sich nicht um die heranstürzenden Schupos. Er riß den Wagen wie ein Pferd durch den Verkehr. Im vierten Lokal fand er den Professor.
Jaffé erinnerte sich sofort. Er ließ sein Essen stehen und kam gleich mit. Sie fuhren zu seiner Wohnung, um die notwendigsten Sachen zu holen. Dies war die einzige Strecke, die Köster zwar schnell fuhr, aber nicht raste. Er wollte den Arzt nicht vorzeitig erschrecken. Unterwegs fragte Jaffé, wo Pat liege. Köster nannte einen vierzig Kilometer entfernt liegenden Ort. Er wollte den Professor nur erst einmal im Wagen haben. Alles Weitere ergab sich dann von selbst. Während Jaffé seine Tasche packte, gab er Lenz Anweisung, was zu telefonieren sei. Dann stieg er zu Köster ein.
»Ist es gefährlich?«fragte Köster.
»Ja«, sagte Jaffé.
In diesem Augenblick verwandelte sich Karl in ein weißes Gespenst. Er sprang mit einem Satz vom Start und fegte los. Er zwängte sich durch, er fuhr mit zwei Rädern über den Bürgersteig, er jagte in falscher Richtung durch Einbahnstraßen, er suchte den kürzesten Weg aus der Stadt heraus.
»Sind Sie verrückt?«rief der Professor. Köster schoß unter den hohen Stoßstangen eines Omnibusses schräg hinweg, verringerte das Gas einen Moment und ließ den Motor wieder aufheulen.
»Fahren Sie langsamer«, schrie der Arzt,»was nützt es Ihnen, wenn wir einen Unfall haben.«
»Wir werden keinen Unfall haben.«
»Wenn Sie so weiterfahren, in zwei Minuten.«
Köster riß den Wagen links an einer Elektrischen vorbei.
»Wir werden keinen Unfall haben.«Er hatte jetzt eine lange Straße zu fassen. Er sah den Arzt an.»Ich weiß selbst, daß ich Sie heil hinbringen muß. Verlassen Sie sich darauf, daß ich so fahre.«
»Aber was nützt Ihnen die Raserei schon! Sie holen ein paar Minuten heraus.«
»Nein«, sagte Köster und wich einem Lastwagen mit Steinen aus,»wir haben noch zweihundertvierzig Kilometer zu fahren.«
»Was?«
»Ja…«Der Wagen drehte sich zwischen einem Postauto und einem Autobus durch -»Ich wollte es Ihnen vorhin nicht sagen.«
»Das wäre egal gewesen«, knurrte Jaffé,»ich richte meine Hilfe nicht nach Kilometern. Fahren Sie zum Bahnhof. Wir kommen mit der Eisenbahn schneller hin.«
»Nein.«Köster hatte die Vorstadt erreicht. Der Wind riß ihm die Worte vom Mund.»Schon erkundigt – Zug fährt zu spät…«Er sah Jaffé noch einmal an, und der Arzt mußte wohl irgendwas in seinem Gesicht gesehen haben.»In Gottes Namen«, brummte er.»Ihre Freundin?«