Читаем Еврейские судьбы: Двенадцать портретов на фоне еврейской иммиграции во Фрайбург полностью

ARKADIJ HAIMOVITSCH WEINBERG:

«ES GIBT NOCH ZU SINGEN…»

(BALTA – GHETTO IN BALTA – ODESSA – FREIBURG)

«Gottes Wege sind unergründlich, sagt man, und ich lebe schon seit 1992 mit meiner Familie in Deutschland – dem Land, das meinem Volk so viel Leid angetan hat. Das Leben ist aber nicht nur schwarz-weiß, es hat verschiedene Schattierungen. Manchmal, wenn ich mir TV-Sendungen über den Holocaust angucke, krampft sich mein Herz vor unermesslichem Mitleid gegenüber den schuldlos umgekommenen Menschen und Familien im Leibe zusammen, und mir steigen die Tränen in die Augen. Aber das Leben geht weiter…»

Aus den Erinnerungen von Arkadi Weinberg

Das Lied über ein Kleinkinderle

1918 musste das sowjetische Russland die Annexion Bessarabiens durch Rumänien verschlucken. Verschlucken hieß aber nicht wegstecken: am 12. Oktober 1924 schaffte die Sowjetunion ein Aufmarschgebiet für die Rückgewinnung Bessarabiens, indem sie innerhalb der Ukrainischen SSR die Moldawische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik mit Balta als Hauptstadt gründete. Am 2. August 1940 wurde diese Autonomie aufgelöst. An diesem Tag wurde Bessarabien wieder in die Sowjetunion eingegliedert, und es entstand die Moldawische SSR. Und Balta fiel an das Gebiet Odessa. Die Stadt zählte 20 Tausend Einwohner, von denen ein beträchtlicher Teil Juden waren.

In diesem Städtchen wurde am 10. Dezember 1938 Arkadi (Abram) Weinberg geboren. Mehrere Generationen seiner Vorfahren lebten in Balta. Zu Hause sprach man Jiddisch, in der Stadt – eine Mischsprache aus Jiddisch und Ukrainisch, der sich die meisten Stadtbewohner bedienten.

Die Familie von Arkadi war nie gläubig, zudem gab es in der Stadt keine Synagoge, aber zu Pesach gab es immer «gefilte Fisch» und Mazza. Gewerbe wurden vom Markt diktiert: Der Großvater Benzion Tabatschnik war handwerklicher Geschirrmacher sowie Maßschuhmacher. Die Großmutter Keyla, die Krankenschwesterkurse absolvierte, übte ein für die Jüdin ziemlich überraschendes Gewerbe aus: Sie betrieb Hauswirtschaft, züchtete u.a. Schweine und verkaufte Fleisch und Fleischprodukte an Nichtjuden.

Davon ernährte sich die Familie.

Den Großvater väterlicherseits – Noah – hat Arkadi nie gesehen (er war früh verstorben), an die Großmutter Sosja dagegen kann er sich gut erinnern: Die Familie wohnte eigentlich in ihrem winzigen Dreizimmerhäuslein.

Vater und Mutter, Chaim und Rachel, waren gleichaltrig: sie wurden 1915, d.h. inmitten des Krieges geboren. Beide waren 23 Jahre alt, als ihr Erstling – Abram – zur Welt kam. Die Mutter nannte den Vater warum auch immer Juri, und den Sohn – Arkadi. Nach dem Schulabschluss sah er nicht ohne Überraschung in seinem Zeugnis schwarz auf weiß seinen eigenen Namen: «Abram Chaimowitsch».

In Balta war kein Antisemitismus zu spüren. Den Weinbergs gegenüber wohnten Altgläubige, und nur einer von ihnen sah die Juden krumm an.

Der Vater beendete eine elektrotechnische Fachschule und war ein erstklassiger Elektriker und Automechaniker. Kurz nach Kriegsbeginn wurde er zum Wehrdienst eingezogen und gehörte während des gesamten Krieges den Kampftruppen an, wo er bei Wiederherstellung und Instandsetzung von Kraftfahrzeugen seinen Einfallsreichtum zur Geltung brachte.

Als die Wehrmacht begann, gefährlich nahe an Balta heranzutreten, setzte der Großvater die gesamte Familie auf ein Fuhrwerk und begab sich zusammen mit abrückenden Rote-Armee-Truppen gen Osten. Aber Deutsche holten die Flüchtlinge ein, und die Weinbergs mussten nach Balta zurückkehren. Demnächst richteten hier die Besatzer ein Getto ein, und die ganze Familie zog in ein Haus in der Kusnetschnaja Straße. Jedes seiner Zimmer beherbergte mehrere jüdische Familien. Als Flüchtlinge aus Bessarabien ankamen, wurden sie auch in diesem Haus untergebracht.

Arkadi war nur 2,5 Jahre alt, aber einige eindrucksvolle Vorkommnisse gruben sich in sein Gedächtnis ein. Erstes Vorkommnis: Die Tür öffnet sich, und in der Türöffnung erscheint ein deutscher Offizier, er trägt eine Schirmmütze mit Emblem. Auf dem Bett liegt ein Junge mit einem Tuch um den Hals und spielt einen Kranken vor, wie die Erwachsenen es ihm beigebracht haben. «Was ist mit ihm los?», fragt der Deutsche. «Typhus», meint man zu ihm. Die Tür schließt sich augenblicklich, und die Deutschen machen sich in aller Eile davon. Sie hatten eine Riesenangst vor Typhus.

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