Читаем Еврейские судьбы: Двенадцать портретов на фоне еврейской иммиграции во Фрайбург полностью

MIRON ABRAMOVITSCH LWOW-BRODSKIJ:

«WENN DEINE DATEN IN SPALTE FÜNF ANDERS WÄREN!..»

(DNEPROPETROWSK – ANDISCHAN – DNEPROPETROWSK – IRKUTSK – NOWOSIBIRSK– SAPOROSCHJE – FREIBURG)

Kindheit in Ferghana-Tal und an Dnjepr

Miron (Mark) Abramowitsch Lwow-Brodskij wurde am 22. Oktober 1939 geboren. Alle seine Vorfahren stammen aus Dnepropetrowsk. An seine Eltern kann er sich nur schlecht erinnern, aber in seinem Gedächtnis sind die Gestalten von Iossif Poscharskij, dem Großvater mütterlicherseits, und der Großmutter väterlicherseits haften geblieben. Der Großvater war gläubig, beachtete den Sabbat und hielt seine Enkel dazu an.

Im Jahr 1928, als der Vater, Abram Meerowitsch, 24 Jahre alt wurde, heiratete er Jewgenija Iossifowna. Das junge Paar wohnte bei den Eltern des Vaters, weil diese ein geräumiges Haus mit einem großen Garten hatten.

Die Vorkriegsjahre konnten sich ins Gedächtnis nicht einprägen, der Kriegsbeginn und die Evakuierung dafür aber schon. Der Vater war damals in einem Werk für elektrische Erzeugnisse tätig, die Mutter arbeitete nicht.

Der Vater durfte die Produktionsstätte nicht verlassen, und die Mutter mit zwei Kindern ging nach Andischan im Ferghana-Tal im Osten Usbekistans. Nach einigen Monaten wurde das Werk auch evakuiert, aber der Vater war inzwischen zum Wehrdienst einberufen worden.

Fast den ganzen Krieg verbrachte die Mutter mit den Kindern in Andischan. Durch das Gedächtnis schwirren wie Filmbilder Bewässerungskanäle, Basar, Frauen in Burkas. Die Usbeken, bei denen die Lwow-Brodskij’s wohnten, luden sie manchmal zum Pilaw ein. Den Evakuierten wurden Gabeln ausgeteilt, und die Hausherren aßen mit den Händen, die sie bis zum Ellbogen ableckten. Man muss sagen, dass sich die Ortsansässigen den Ankömmlingen, besonders den Kindern, gegenüber freundlich verhielten. Die Kinder waren häufig krank, Miron auch.


Мирон Львов-Бродский со сделанной им менорой (2010-е) / Miron Lwow-Brodskij mit selbstgemchter Menora (2010er)


Allerdings ging der Holocaust an der Familie vorbei. Zwei von fünf Brüdern in der väterlichen Linie kamen an der Front um: Der eine war Panzermann, der andere – Infanterist. Einer von drei am Leben gebliebenen Brüdern verlor ein Bein an der Front. Sie sind schon alle gestorben, aber ihre Kinder und Enkelkinder leben in Israel. Der Großvater in der mütterlichen Linie hatte sechs Kinder aus zwei Ehen. Jetzt ist nur eine Tochter, die Tante von Mark, am Leben. Sie lebt mit ihrer Familie in Israel und ist schon über 95 Jahre alt.

Die Evakuierung endete 1944, und die Familie kehrte nach Hause zurück – selbstverständlich, in Güterwagen. Die Mutter zauberte irgendwoher eine Dreiliterflasche Honig und einige Packungen trockenes Gebäck. Den ganzen Weg über – d.h. eine Woche oder eineinhalb Wochen – gab sie den Kindern nur Gebäck mit Honig zu essen. Danach konnte Mark bis zum Alter von ca. 40 Jahren nicht einmal den Geruch von Honig vertragen. Gebäck konnte er verzehren, aber kein Honig.

Als sie in Dnepropetrowsk ankamen, zogen sie ins verschont gebliebene Haus der Großmutter ein. Den ehemaligen Eigentümern stand jedoch nur eine Haushälfte zur Verfügung: In die zweite wurde die große Familie des Fuhrmanns Drogaljuk einlogiert. Er hatte Pferde, eine Kuh und eigene Milch, im Großen und Ganzen lebten die Drogaljuks für damalige Begriffe recht gut.

Etwa 1945 wurde der Vater vom Militär entlassen. Er kam und brachte erbeuteten Stoff mit, der zu Anzügen für die Kinder verarbeitet wurde. In die Anzüge nähten die Kinder selbst Schulterstücke ein und liefen so umher. Die Mutter erzählte, dass der Vater vor dem Krieg ein gutherziger und biegsamer Mensch gewesen war, nach dem Militärdienst aber viel zu trinken und zu zechen begann. Im Jahr 1947 trennten sie sich.

Die Mutter bekam eine Wohnung auf der Gogol-Straße zugeteilt – dort, wo sich früher das Kulturhaus der Wolodarskij-Fabrik befand und heute die ganz neue große Synagoge steht. Dort lebten sie relativ glücklich, bis Miron 1958 zum Pflichtwehrdienst einberufen wurde.

Nach dem Krieg gab es keine Synagoge in der Stadt, so dass Minjane in Privatwohnungen abgehalten wurden – heimlich, denn die Strafen waren streng. Die Stadt selbst lag in Schutt und Asche, viele wohnten in Bruchbuden, und die Jungen waren echte Trümmerkinder: Tagelang spielten sie zwischen Ruinen.

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