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Sie suchen nicht mal mehr nach Überlebenden. Jeri spürte, wie sich Harrys Oberkörper aufrichtete, als sie der Ruinenstadt näherkamen.

Ein Polizeiauto versperrte gemeinsam mit einem Wagen der Nationalgarde die Straße. Harry hatte seinen Brief zur Hand, brauchte ihn aber nicht.

»Ich bin Mrs. David Wilson«, sagte Jeri. »Mein Mann wohnt hier, in der Spring Valley Lane 2467…«

Der junge Mann in der PolizeiUniform sah ebenso beiseite wie der Nationalgardist.

Sie verstand.

»Da unten lag sie, einen guten Kilometer von hier«, sagte der Mann von der Nationalgarde und wies dabei auf die Mitte der Schlammfläche.

»Vielleicht war er woanders«, sagte Melissa. »Vielleicht…«

»Es ist um zwei Uhr nachts passiert, fünf Minuten nachdem sie die russische Raumstation zerstört haben.«

»Alarm konnte auch nicht gegeben werden«, fügte der Polizeibeamte hinzu. »Das Telefonnetz ist sofort ausgefallen. Die einzige Möglichkeit, Leute flußabwärts zu warnen, hätte darin bestanden, schneller zu fahren, als das Wasser lief. Das aber ging nicht.«

»Wie schlimm ist es?« fragte Harry.

»Fürchterlich«, sagte der Nationalgardist. »Die Wasserversorgung im gesamten Tiefland ist zusammengebrochen, alle Orte entlang des Arkansas sind zerstört. Die Überflutung reicht noch über Little Rock hinaus.« Er nahm Harry beiseite, doch Jeri hörte, was er sagte.

»Fünf Kilometer östlich von hier haben wir in der Schule ein provisorisches Leichenschauhaus eingerichtet. Ein paar, die nicht ganz so entsetzlich aussehen, sind noch da. Hunderte mußten wir beerdigen, wie sie waren. Da haben sie auch eine Liste von allen, die sie identifizieren konnten.«

»Vielen Dank. Wir fahren wohl besser hin. Ob ich wohl irgendwo Sprit kriegen kann?«

Der Beamte lachte sarkastisch.

* * *

Die Brieftasche enthielt zwei Fotos von Jeri und eins von Melissa. Jeri sah darauf, und Tränen stiegen ihr in die Augen.

Meine Bilder. Bestimmt hätte er mich gern gesehen. Der Führerschein war durchweicht, aber der Name war lesbar. »Das ist seiner«, sagte Jeri.

Der junge Mann mit dem schütteren Bartwuchs und dem schmutzigen weißen Kittel machte sich Notizen. »David J. Wilson aus Reseda, Kalifornien«, sagte er. »Nächster Verwandter Mrs. Geraldine Wilson…«

Es dauerte endlos. Er nahm Davids Brieftasche und notierte genauestens ihren Inhalt. Dann gab er Jeri einen Schuhkarton mit der Brieftasche, Davids Armbanduhr und Trauring. »Bitte unterschreiben Sie hier.«

Sie trat mit dem Schuhkarton hinaus ins helle Sonnenlicht, das über dem Staat Colorado lag. Mein Gott, was soll ich jetzt nur anfangen? Von Harry oder Melissa war nichts zu sehen. Sie setzte sich auf eine Bank neben der Schule.

Was wollen sie von uns? Warum tun sie das nur?

»Mutti…«

Jeri mochte ihre Tochter nicht ansehen.

»Harry hat es mir gesagt.« Melissa setzte sich neben sie. Nach einem Augenblick nahm Jeri sie in den Arm und sie hielten einander weinend umschlungen.

»Wir müssen weg«, sagte Melissa.

»Und wohin?«

»Nach Dighton in Kansas«, ertönte Harrys Stimme hinter ihrem Rücken, »und zwar sofort. Wir müssen über den Fluß, und es gibt mindestens bis Dodge City keine einzige Brücke. Also müssen wir flußaufwärts bis zum Ende des Staubeckens fahren – ein Umweg von etwa dreihundert Kilometern. Wir müssen jetzt sofort los.«

Jeri schüttelte den Kopf. »Was soll ich in Kansas? Ich kenne dort niemanden.«

»Ich auch nicht, außer Mrs. Dawson«, teilte ihr Harry ungerührt mit. Es war leicht zu erraten, was er dachte. Er hatte keine Frau…

»Harry, du kannst uns doch gar nicht brauchen auf deiner Maschine.«

»Stimmt«, sagte er, »aber was hat das damit zu tun?«

Melissa stand auf und zog an ihrer Hand. »Komm, Mutti, hier wollen wir nicht bleiben.«

Ich könnte Bekannte von David suchen und sehen, wo er seine letzten Monate verbracht hat.

Das ist morbid, wahrscheinlich triffst du am ehesten sein neues Schätzchen. War sie vielleicht sogar bei ihm? Hat die Erde deinetwegen gebebt, Liebling? »Also los, Harry! Ich dachte, du hättest kein Benzin mehr.«

»Er hat mit seinem Brief dem Polizisten eine Tankfüllung abgeschwatzt«, erklärte Melissa.

»Damit müßten wir es schaffen«, sagte Harry. Er führte sie um die Ecke. Sein Motorrad sah nicht mehr besonders gut aus und wirkte schon überladen, wenn niemand darauf saß.

»Auch zu dritt?«

»Ich denke schon.« Harry schwang sich mühsam in den Sattel. Er sah jetzt etwas erholter aus, sein Gesicht war nicht mehr so rot und sein Rücken nicht mehr so krumm wie zuvor. »Möchtest du vorher noch irgendwohin?« fragte er.

Jeri schüttelte den Kopf und nahm Melissas Hand. »Sie… haben über hundert in einem Massengrab beigesetzt. Das will ich nicht sehen.«

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