Snape wirkte leicht erschöpft, doch auf seinem Gesicht spiegelte sich ein Ausdruck des Triumphs.»Sie fragen sich vielleicht, woher ich wußte, daß Sie hier sind?«, sagte er mit glitzernden Augen.»Ich war eben in Ihrem Büro, Lupin. Sie haben heute Abend vergessen, ihren Trank zu nehmen, also wollte ich einen Becher vorbeibringen. Und das war ein Glück… Glück für mich, würde ich sagen. Auf Ihrem Tisch lag eine gewisse Karte. Ein Blick darauf verriet mir alles, was ich wissen mußte. Ich sah Sie durch den Tunnel laufen und verschwinden.«
»Severus -«, warf Lupin ein, doch Snape ließ sich nicht unterbrechen.
»Ich habe den Schulleiter immer wieder gewarnt, daß Sie Ihrem alten Freund Black dabei helfen, in die Schule zu kommen, Lupin, und hier ist der Beweis. Doch nicht einmal ich habe mir träumen lassen, daß Sie die Nerven hätten, diese alte Hütte als Versteck zu benutzen -«
»Severus, Sie machen einen Fehler«, sagte Lupin eindringlich.»Sie haben nicht alles gehört – ich kann es erklären – Sirius ist nicht hier, um Harry zu töten -«
»Zwei weitere Gefangene für Askaban heute Nacht«, sagte Snape, und seine Augen glühten jetzt wie die eines Besessenen.»Bin gespannt, wie Dumbledore das alles aufnimmt… er war vollkommen überzeugt, daß Sie harmlos seien, Lupin… ein zahmer Werwolf -«
»Sie Dummkopf!, sagte Lupin leise.»Ist der Groll über einen Schülerstreich Grund genug, einen Unschuldigen nach Askaban zu bringen?«
Ssss – dünne Seile schossen aus der Spitze von Snapes Zauberstab und schlängelten sich um Lupins Mund, Handgelenke und Fersen; er verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden, wo er liegen blieb, ohne einen Finger rühren zu können. Black sprang vom Bett auf und wollte sich auf Snape stürzen, doch Snape richtete den Zauberstab genau zwischen seine Augen.
»Gib mir einen Grund«, flüsterte er.»Gib mir nur einen Grund, es zu tun, und ich schwöre, ich werde es tun.«
Black erstarrte. Es war unmöglich zu sagen, welches Gesicht haßerfüllter war.
Harry stand da wie gelähmt und wußte nicht, was er tun oder wem er glauben sollte. Dem Gefühl nach war er immer auf der Seite von Snapes Gegnern – doch Black hatte selbst zugegeben, daß er Harrys Eltern umgebracht hatte – wie konnte Lupin ihn dann unschuldig nennen?
Er drehte sich zu Ron und Hermine um. Ron sah genauso verwirrt aus wie er und kämpfte immer noch mit Krätze. Hermine machte einen unsicheren Schritt auf Snape zu und sagte mit matter Stimme:
»Professor Snape, es… es würde nichts schaden zu hören, was sie zu sagen haben, o-oder?«
»Miss Granger, auf Sie wartet bereits der Schulverweis«, bellte Snape.»Sie, Potter und Weasley haben alle Regeln gebrochen und befinden sich in Gesellschaft eines verurteilten Mörders und eines Werwolfs. Auch wenn es das erste Mal in Ihrem Leben sein sollte, halten Sie den Mund.«
»Aber wenn – wenn es einen Irrtum gab -«
»Sei still, du dumme Göre!«, schrie Snape und sah plötzlich ziemlich verstört aus.»Red nicht über Dinge, die du nicht verstehst!«Ein paar Funken prasselten aus der Spitze seines Zauberstabs, der immer noch auf Blacks Gesicht gerichtet war. Hermine verstummte.
»Rache ist zuckersüß«, hauchte Snape Black zu.»Wie sehr habe ich gehofft, dich als Erster in die Finger zu kriegen…«
»Und jetzt bist du wieder der Dumme, Severus«, sagte Black gelassen.»Wenn dieser Junge seine Ratte ins Schloß bringen kann«, er nickte mit dem Kopf hinüber zu Ron,»komme ich ohne Federlesen mit…«
»Ins Schloß?«, sagte Snape salbungsvoll.»Ich glaube nicht, daß wir so weit gehen müssen. Sobald wir draußen vor der Weide sind, rufe ich die Dementoren. Sie werden hocherfreut sein, dich zu sehen, Black… so entzückt, daß sie dir sicher einen kleinen Kuß geben wollen…«
Das bißchen Farbe auf Blacks Gesicht verschwand.
»D… du mußt mich anhören«, krächzte er.»Die Ratte – schau dir die Ratte an -«
Doch ein irres Flackern, wie Harry es noch nie gesehen hatte, trat jetzt in Snapes Augen. Offenbar hatte er das Reich der Vernunft verlassen.
»Kommt mit, allesamt«, sagte er. Er schnippte mit den Fingern und die Enden der Seile, die Lupin fesselten, flogen ihm in die Hände.»Ich ziehe den Werwolf. Vielleicht haben die Dementoren auch ein Küßchen für ihn übrig.«
Harry wußte nicht recht, was er tat, doch mit drei Schritten hatte er das Zimmer durchquert und sich vor der Tür aufgebaut.
»Aus dem Weg, Potter, du hast schon mehr als genug Ärger«, schnarrte Snape.»Wenn ich nicht hergekommen wäre und deine Haut gerettet hätte -«
»Professor Lupin hätte mich dieses Jahr schon hundert Mal umbringen können«, sagte Harry.»Ich war oft mit ihm allein, er gab mir Unterricht gegen die Dementoren. Wenn er Black helfen wollte, warum hat er mich nicht schon längst erledigt?«
»Woher soll ich wissen, was im Hirn eines Werwolfs vor sich geht?«, zischte Snape.»Aus dem Weg, Potter.«
»Sie sind jämmerlich!«, rief Harry.»Nur weil Sie in der Schule zum Narren gehalten wurden, wollen Sie jetzt nicht mal zuhören!«