»Ruhe! So spricht man nicht mit mir!«, kreischte Snape und wirkte mehr denn je wie ein Irrer.»Wie der Vater, so der Sohn, Potter! Gerade habe ich dir den Hals gerettet, du solltest mir auf den Knien dafür danken! Wär dir recht geschehen, wenn er dich umgebracht hätte! Du wärst gestorben wie dein Vater, zu hochmütig, um zu glauben, er hätte sich in Black getäuscht – geh jetzt aus dem Weg, oder ich räum dich fort – aus dem Weg, Potter!«
Harry entschied sich im Bruchteil einer Sekunde. Bevor Snape auch nur einen Schritt auf ihn zugehen konnte, hatte er den Zauberstab erhoben.
»Expelliarmus!«, rief er – allerdings war seine Stimme nicht die einzige. Es gab einen Knall, der fast die Tür aus den Angeln gehoben hätte; Snape riß es von den Füßen, er krachte gegen die Wand und rutschte an ihr herunter zu Boden. Unter seinem Haarschopf sickerte ein kleines rotes Rinnsal hervor. Er war ohnmächtig.
Harry wandte sich um. Ron und Hermine hatten im selben Augenblick beschlossen, Snape zu entwaffnen. Snapes Zauberstab war durch die Luft geflogen und neben Krummbein auf dem Bett gelandet.
»Das hättest du nicht tun sollen«, sagte Black zu Harry gewandt.»Du hättest ihn mir überlassen sollen…«
Harry mied Blacks Augen. Er war sich auch jetzt noch nicht sicher, das Richtige getan zu haben.
»Wir haben einen Lehrer angegriffen… wir haben einen Lehrer angegriffen…«, wimmerte Hermine und starrte mit angsterfüllten Augen auf den leblosen Snape.»Oh, wir kriegen gewaltigen Ärger.«
Lupin kämpfte mit seinen Fesseln. Black bückte sich rasch und befreite ihn. Lupin richtete sich auf und rieb sich die Arme, wo das Seil ihm ins Fleisch geschnitten hatte.
»Danke, Harry«, sagte er.
Doch Harry erwiderte sein Lächeln nicht.
»Ich sage nicht, daß ich Ihnen glaube«, erklärte er Lupin.»Diesen ganzen Kram über einen Haufen Animagi und Krätze, der ein Zauberer sein soll…«
»Dann ist es an der Zeit, daß wir es dir beweisen«, sagte Lupin.»Ron, bitte gib mir Peter. Jetzt.«
Ron drückte Krätze noch fester an die Brust.
»Hören Sie auf damit«, sagte er mit schwacher Stimme.»Wollen Sie sagen, er ist aus Askaban geflohen, nur um Krätze in die Hände zu kriegen? Das ist doch…«Er sah Hilfe suchend zu Harry und Hermine auf,»Gut, sagen wir, Pettigrew konnte sich in eine Ratte verwandeln – es gibt Millionen von Ratten – wie soll er wissen, hinter welcher er her ist, wenn er in Askaban sitzt?«
»Wenn ich's mir überlege, Sirius, dann ist das eine berechtigte Frage«, sagte Lupin und wandte sich mit leichtem Stirnrunzeln Black zu.»Wie hast du eigentlich rausgefunden, wo er steckte?«
Black schob eine seiner klauenartigen Hände in den Umhang, zog ein zerknülltes Stück Papier hervor, strich es glatt und hielt es für die anderen hoch.
Es war das Foto von Ron und seiner Familie, das im vorigen Sommer im Tagespropheten erschienen war, und da, auf Rons Schulter, saß Krätze..
»Wie hast du das in die Finger bekommen?«, fragte Lupin wie vom Donner gerührt.
»Fudge«, sagte Black.»Letztes Jahr, bei seinem Kontrollbesuch in Askaban, gab er mir seine Zeitung. Und da war Peter, auf der Titelseite… auf der Schulter dieses Jungen… ich hab ihn sofort erkannt… wie oft hatte ich gesehen, wie er sich verwandelte. Und darunter hieß es, der Junge würde bald wieder nach Hogwarts zurückkehren… wo Harry war…«
»Mein Gott«, sagte Lupin leise und starrte abwechselnd Krätze und das Zeitungsfoto an.»Die Vorderpfote…«
»Was soll damit sein?«, sagte Ron widerwillig.
»Ihr fehlt ein Zeh«, sagte Black.
»Natürlich«, seufzte Lupin,»so einfach… so gerissen… er hat ihn selbst abgehackt?«
»Kurz bevor er sich verwandelte«, sagte Black.»Als ich ihn gestellt hatte, schrie er, daß die ganze Straße es hörte, ich hätte Lily und James verraten. Dann, bevor ich meinen Fluch sprechen konnte, hat er mit dem Zauberstab hinter dem Rücken die ganze Straße in die Luft gejagt und alle im Umkreis von zehn Metern getötet – und schließlich ist er mit den anderen Ratten im Kanalloch verschwunden…«
»Hast du es nie gehört, Ron?«, sagte Lupin.»Das größte Stück, das sie von Peter gefunden haben, war sein Finger.«
»Ach was, Krätze ist wahrscheinlich mit einer anderen Ratte aneinander geraten. Er ist schon ewig in meiner Familie.«
»Zwölf Jahre, um genau zu sein«, sagte Lupin.»Hast du dich nie gewundert, warum er so lange lebt?«
»Wir… wir haben uns gut um ihn gekümmert!«, sagte Ron.
»Sieht im Moment allerdings nicht sonderlich gesund aus, oder?«, sagte Lupin.»Ich vermute, er verliert Gewicht, seit er gehört hat, daß Sirius wieder auf freiem Fuß ist…«
»Er hatte Angst vor diesem verrückten Kater!«, sagte Ron und nickte zu Krummbein hinüber, der immer noch schnurrend auf dem Bett lag.
Doch das stimmte nicht, fiel Harry plötzlich ein… Krätze hatte schon krank ausgesehen, bevor er auf Krummbein traf… schon seit Rons Rückkehr aus Ägypten… seit Black geflohen war…