»Nun, Halbbruder,«berichtigte Hagrid.»Meine Mutter hatte meinen Vater verlassen und mit einem anderen Riesen Grawp -«
»Grawp?«sagte Harry.
»Ja… nun, so klingt es, wenn er seinen Namen sagt,«sagte Hagrid ängstlich.»Er spricht nicht viel Englisch… ich habe es versucht ihm beizubringen… wie auch immer, sie hat ihn scheinbar nicht mehr gemocht als mich. Sieh, das einzige was für Riesinnen wichtig ist, ist daß sie große Kinder in die Welt setzen. Er war mit seinen 16 Fuß immer ein bißchen zu klein für einen Riesen.«
»Oh ja, winzig!«sagte Hermine mit einem Anflug hysterischen Sarkasmus.»Absolut unbedeutend!«
»Er wurde von allen nur herumgeschubst, deshalb konnte ich ihn nicht zurücklassen.«
»Wollte Frau Maxime ihn zurückbringen?«fragte Harry.
»Sie – nun, sie konnte sehen, daß es für mich sehr wichtig war,«sagte Hagrid und verschränkte seine riesigen Hände.
»A… aber nach einer Weile war sie ihn leid, muß ich zugeben. Wir trennten uns auf dem Heimweg… sie versprach, niemandem etwas zu erzählen…«
»Wie um alles in der Welt hast du ihn zurückbekommen, ohne daß irgendjemand etwas bemerkt hat?«fragte Harry.
»Nun, genau das ist der Grund, warum es so lange gedauert hat,«sagte Hagrid.»Wir konnten nur nachts und nur fernab jeder Zivilisation reisen. Natürlich kann er recht schnell sein, wenn er will, aber wollte immer wieder zurück.«
»Oh, Hagrid, warum hast du ihn dann nicht gelassen?«fragte Hermine, setzte sich auf einen ausgerissenen Baum und verbarg ihr Gesicht mit ihren Händen.»Was denkst du, wirst du mit einem gefährlichen Riesen machen, der nicht einmal hier sein möchte?«
»Nun,»gefährlich«- das ist ein bißchen barsch,«sagte Hagrid, der noch immer unruhig mit den Händen spielte.»Ich gebe zu, daß er mir ein paar Schwinger verpasst hat, als er schlechte Laune hatte, aber es wird besser, um Längen besser und legt sich.«
»Wofür sind dann diese Seile?«fragte Harry.
Er bemerkte die baumdicken Seile, die sich von den Stämmen der größten umliegenden Bäume bis zu dem Platz erstreckten, auf dem Grawp mit dem Rücken zu ihnen auf dem Boden lag.
»Du mußt ihn anbinden?«fragte Hermine.
»Nun… ja…,«sagte Hagrid und sah ängstlich aus.»Sieh, es ist wie ich sage, er kennt seine eigene Kraft nicht.«
Harry begriff langsam den Grund dafür, daß in diesem Teil des Waldes keine anderen Kreaturen anzutreffen waren.
»Was willst du also, was Harry, Ron und ich tun sollen?«fragte Hermine besorgt.
»Schaut nach ihm,«sagte Hagrid heiser,»wenn ich weg bin.«
Harry und Hermine tauschten vielsagende Blicke und Harry wurde unangenehm bewusst, daß er Hagrid bereits versprochen hatte, für ihn zu tun worum auch immer er ihn bat.
»Was – was heißt das genau?«fragte Hermine nach.
»Nicht füttern oder so was,«sagte Hagrid.»Er kann ohne Probleme selbst für sein Essen sorgen. Vögel, Rehe und so.
Was er braucht ist nur ein bißchen Gesellschaft. Ich möchte nur, daß jemand weitermacht ihm ein bißchen zu helfen und ihm etwas beizubringen, ihr wißt schon.«
Harry schwieg und drehte sich um, um den schlafenden Riesen vor ihnen anzusehen. Anders als Hagrid, der einfach wie ein übergroßer Mensch aussah, sah Grawp seltsam missgebildet aus.
Was Harry für einen großen moosigen Felsbrocken links des Hügels hielt, entpuppte sich nun als Grawps Kopf. Im Verhältnis zu seinem Körper war er viel größer als ein menschlicher Kopf, fast perfekt rund und dicht bewachsen mit krausem farnfarbenem Haar.
Der Rand eines großen, fleischigen Ohrs war oben am Kopf sichtbar, der – fast wie bei Onkel Vernon – direkt ohne Hals auf den Schultern zu sitzen schien. Der Rücken, der wie ein dreckiger brauner Kittel aus grob zusammengenähten.Tierhäuten aussah, war sehr breit. Da Grawp schlief, sah er aus als wären diese Nähte recht strapaziert. Die Beine waren unter seinem Körper zusammengelegt. Harry konnte die Sohlen der enormen, filzigen, nackten Füße, groß wie Schlitten, sehen, die übereinander auf dem Waldboden lagen.
»Du willst, daß wir ihn lehren,«sagte Harry mit hohler Stimme. Er wußte nun, was Firenzes Warnung bedeutete.
»Ja – wenn ihr nur ein bißchen mit ihm sprecht,«sagte Hagrid hoffnungsvoll.»Ich denke, wenn er mit Leuten sprechen kann, wird er eher verstehen, daß wir ihn alle mögen, und ich möchte doch, daß er bleibt.«
Harry sah Hermine an, die durch ihre Finger hindurch zurückblickte.
»Manchmal wünschst du dir, du hättest Norbert zurück, oder?«sagte er und sie lachte schallen.
»Also macht ihr es?«fragte Hagrid, der offenbar nicht verstanden hatte, was Harry gerade gesagt hatte.
»Werden wir…,«sagte Harry, der durch sein Versprechen gebunden war.»Wir werden es versuchen, Hagrid.«