Pendergast las den Brief zweimal durch, nahm den USB-Stick zur Hand und steckte ihn in den Port seines Laptops. Es befand sich lediglich eine Datei auf dem Stick. Er klickte darauf.
Ein Video erschien: D’Agosta und Longstreet, gefesselt und geknebelt, jeder hatte eine Hand frei. Sie starrten in die Kamera, Schweißperlen auf der Stirn, und hielten mit ihren freien Händen zwischen sich eine Ausgabe der
Pendergast sah es sich noch einige weitere Male an und las noch einmal den Brief, ehe er beides zurück in den Umschlag und dann in die Jacketttasche seines Anzugs steckte. Drei Minuten lang blieb er völlig regungslos in der Bibliothek sitzen, das Gesicht vom flackernden Kaminfeuer erhellt, dann stand er auf.
Der Enthaupter hatte recht: Ihm blieb nichts übrig, als die Forderungen zu erfüllen.
Pendergast kannte King’s Park nur vage, es handelte sich um den riesigen, verfallenen Gebäudekomplex eines psychiatrischen Krankenhauses auf Long Island. Eine kurze Recherche im Internet lieferte die Details: Die Klinik war vor Jahrzehnten geschlossen worden, die zahlreichen baufälligen Gebäude verteilten sich über eine weitläufige, hinter Maschendrahtzäunen abgesperrte Parkanlage. Sie war berüchtigt gewesen wegen der Elektroschockbehandlungen, die vor dem Aufkommen wirkungsvoller Psychopharmaka bei schweren Fällen sehr freizügig durchgeführt wurden. Das Krankenhausgelände lag im County Sussex zwischen Oyster Bay und Stony Brook.
Pendergast druckte eine Übersichtskarte mit den Gebäuden der psychiatrischen Klinik aus, steckte sie gefaltet in die eine Tasche seines Jacketts, holte aus einer Schublade ein Extramagazin Patronen vom Kaliber 45 und steckte es in die andere Tasche, dann nahm er die Les Baer zur Hand, um sich zu vergewissern, dass sie vollständig geladen war. Er schob eine Kugel in die Kammer, nahm das Magazin heraus, um eine neue Kugel hineinzuschieben, und steckte die Pistole ein.
Als er gerade in der Eingangshalle seinen Vicunjawollmantel überstreifte, näherte sich Proctor, leise wie eine Katze. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
Pendergast blickte ihn an. Mrs. Trask musste ihm von dem Brief erzählt haben. In Proctors Miene spiegelte sich ein ungewöhnlicher und zugleich beunruhigender Eifer. Der Mann wusste oder verbarg natürlich sehr viel mehr, als er nach außen dringen ließ.
»Nein, danke, Proctor.«
»Sie brauchen keinen Fahrer?«
»Nein, ich habe Lust, mich selbst ans Steuer zu setzen.« Er hielt die Hand ausgestreckt für die Schlüssel.
Einen Moment lang stand Proctor reglos da, das Gesicht eine undurchdringliche Maske. Pendergast war sich durchaus bewusst, dass Proctor wusste, dass er ihn angelogen hatte, doch ihm blieb keine Zeit, sich auf eine zufriedenstellendere Weise herauszureden.
Proctor griff in seine Hosentasche und händigte ihm wortlos die Schlüssel für den Rolls-Royce aus.